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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
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sollte jemand einem Fremden bei der Vertuschung eines Mordes behilflich sein?
    Ich vermutete, daß ich beobachtet wurde.
    Ich zitterte wie Espenlaub und konnte mich nur mit größter Mühe zur Ruhe zwingen.
    Mir blieb noch einiges zu tun.
    Ich kehrte in den Pavillon zurück und beugte mich über das Kleinauto, an dem sich der Troll zu schaffen gemacht hatte, als ich ihn ertappte. Hinten war die Rückwand hochgestellt, so daß Motor und Stromleitungen zu sehen waren. Ich betrachtete diese mechanischen Eingeweide ein Weilchen, konnte aber nicht erkennen, was er vorgehabt hatte; ich hätte nicht einmal sagen können, ob er schon etwas verändert hatte, als ich ihn bei seiner Arbeit überraschte.
    Die Kartenverkaufsbude des Autoskooters war nicht verschlossen, und in einer Ecke des winzigen Raumes fand ich einen Besen, eine Kehrschaufel und einen Eimer, in dem einige schmutzige Lumpen lagen. Ich wischte das Blut auf. Danach holte ich von draußen mehrere Handvoll pulverigen Drecks, streute ihn auf die feuchten rötlichen Flecken, rieb ihn mit den Stiefelsohlen ein und kehrte den Rest sorgfältig zusammen. Die Blutflecken waren zwar noch immer zu erkennen, sahen aber nicht mehr frisch aus und glichen den unzähligen Ölflecken auf der gesamten Fahrbahn. Ich brachte Besen und Kehrschaufel in die Bude zurück. Die blutigen Lumpen trug ich zu einem Mülleimer am Straßenrand und begrub sie zusammen mit der Taschenlampe des Toten unter leeren Popcornschachteln, zerknülltem Papier und anderen Abfällen.
    Ich spürte immer noch, daß ich beobachtet wurde, und das verursachte mir eine Gänsehaut.
    Ich drehte mich in der Straßenmitte langsam im Kreis, ließ meine Blicke aufmerksam über den Rummelplatz schweifen, wo die Wimpel noch immer schlafenden Fledermäusen glichen, wo die verrammelten Imbißstände und Schaubuden trist und abweisend wirkten. Es herrschte Grabesstille. Ich konnte kein Lebenszeichen entdecken. Der untergehende Mond stand jetzt dicht über der Gebirgskette am Horizont, und gegen diesen Hintergrund hoben sich die Silhouetten des Riesenrades, der Achterbahn und des Sturzbombers ab, die mich plötzlich an die riesenhaften futuristischen Kampfmaschinen der Marsianer in Wells' Krieg der Welten erinnerten.
    Ich war nicht allein. Daran zweifelte ich jetzt nicht mehr. Ich spürte, daß jemand in der Nähe war, aber ich hatte keine Ahnung, wer das sein könnte, welche Absichten er verfolgte und wo er sich versteckt hielt.
    Unbekannte Augen beobachteten mich.
    Unbekannte Ohren lauschten.
    Und nun verwandelte sich der Rummelplatz wieder. Er hatte nichts mehr von einem Gefängnishof an sich, wo man sich im unbarmherzig grellen Licht von Bogenlampen völlig schutzlos und nackt vorkommt. Ganz im Gegenteil, die Nacht war mir plötzlich bei weitem nicht hell genug, und sie wurde rasch immer dunkler, Finsternis machte sich breit, eine so tiefe und bedrohliche Finsternis, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Ich verfluchte den Verrat des untergehenden Mondes. Trotz der Dunkelheit schwand das Gefühl der Schutzlosigkeit nicht. Hinzu kam jetzt aber noch wachsende Klaustrophobie. Der Rummelplatz wurde zu einer Ansammlung fremdartiger Formen, erschreckend wie eine Reihe seltsamer, von einer unbekannten Rasse errichteter Grabsteine auf einem anderen Stern. Ich sah nichts Vertrautes mehr um mich herum; Bauten, Maschinen und alle anderen Gegenstände waren unheimlich. Ich hatte das Gefühl, umzingelt zu sein, in der Falle zu sitzen, und einen Moment lang hatte ich Angst, mich zu bewegen, weil ich überzeugt davon war, daß in jeder Richtung etwas Feindliches lauerte, das mich verschlingen würde.
    »Wer ist dort?« fragte ich.
    Keine Antwort.
    »Was hast du mit der Leiche gemacht?«
    Der dunkle Vergnügungspark war ein perfekter akustischer Schwamm; er saugte meine Stimme auf, und sofort herrschte wieder Grabesstille, so als hätte ich überhaupt nichts gesagt.
    »Was willst du von mir?« fragte ich den unbekannten Beobachter. »Bist du ein Freund oder ein Feind?«
    Vielleicht wußte er das selbst nicht, denn er gab keine Antwort, obwohl ich spürte, daß einmal die Zeit kommen würde, da er sich zu erkennen geben und seine Handlungsweise erklären würde.
    In diesem Augenblick begriff ich mit hellseherischer Gewißheit, daß ich von diesem Rummelplatz nicht hätte wegrennen können, selbst wenn ich es versucht hätte. Weder eine bloße Laune noch die Verzweiflung eines Flüchtlings hatte mich hierhergeführt. Es war mir
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