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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
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Rummelplatz ein riesiges dunkles Meer mit vereinzelten kleinen Lichtinseln gewesen; nun hatte er sich plötzlich in einen Gefängnishof verwandelt, der von einem Dutzend starker Bogenlampen bis in den letzten Winkel hinein gnadenlos ausgeleuchtet wurde. Bei jedem Schritt rechnete ich in meiner Panik damit, entdeckt zu werden, und ich verwünschte den Mond. Zudem stand vorhin, als ich dem Troll zum Autoskooter gefolgt war, jede Menge Zeug herum, große Gegenstände, die genügend Deckung boten. Nun aber war der Vergnügungspark so aufgeräumt, so leergefegt wie besagter Gefängnishof. Ich kam mir schutzlos vor, ausgeliefert, entlarvt — nackt und bloß. Zwischen den Fahrgeschäften und Buden tauchte der im Schrittempo fahrende Ford immer wieder flüchtig auf, und ich war überzeugt davon, daß die Wächter mich ebenfalls sehen mußten, obwohl mich weder ein surrender Motor noch helle Scheinwerfer kenntlich machten.
    Erstaunlicherweise erreichte ich das Riesenrad vor den Wachmännern. Sie waren die erste lange Straße entlanggefahren und nach rechts abgebogen, auf die kürzere Querstraße am Rand des Rummelplatzes. Jetzt rollte der Wagen langsam auf die nächste Ecke zu, wo er wieder nach rechts abbiegen würde, in die zweite lange Schaustellerstraße. Das Riesenrad war nur zehn Meter von dieser Ecke entfernt, und die Männer würden mich entdecken, sobald sie in die Kurve einbogen. Ich kletterte über die Umzäunung des Riesenrades, stolperte über ein Kabel, schlug schmerzhaft der Länge nach hin und kroch mit der Anmut einer verkrüppelten Krabbe auf mein Gepäck zu.
    In zwei Sekunden hatte ich mir den Rucksack und den Schlafsack geschnappt und machte drei Schritte auf den niedrigen Zaun zu, aber einige Sachen fielen aus dem offenen Rucksack heraus, und ich mußte sie aufsammeln. Ich sah, daß der Ford um die Ecke bog. Die Scheinwerfer schwenkten auf mich zu, und ich mußte jeden Gedanken an einen unauffälligen Rückzug aufgeben. Die Wächter würden mich unweigerlich sehen, wenn ich jetzt über die Umzäunung stieg, und damit wäre die Jagd eröffnet. Ich stand unschlüssig da wie ein Vollidiot, gelähmt von zentnerschweren Schuldgefühlen.
    In letzter Sekunde riß ich mich zusammen und rannte geduckt auf die Kartenverkaufsbude des Riesenrades zu. Sie war näher als der Zaun, viel näher als die zweifelhafte Deckung hinter dem Zaun, aber — allmächtiger Himmel! — sie war winzig. Eine Kabine, in der eine Person gerade Platz haben mußte, höchstens ein Meter zwanzig im Quadrat, mit pagodenförmigem Dach. Ich drückte mich an eine Außenwand und preßte mein Gepäck an mich, überzeugt davon, daß ein Fuß, ein Knie oder eine Hüfte ein wenig hervorragte und im grellen Licht des Suchscheinwerfers deutlich zu erkennen war.
    Während der Ford langsam am Riesenrad vorbeifuhr, huschte ich von einer Wand zur anderen, so daß die Bude immer zwischen mir und den Wachmännern blieb. Das Scheinwerferlicht flutete dicht an mir vorbei... und dann setzten sie ihren Weg fort, ohne Alarm ausgelöst zu haben. Im Schatten einer Ecke des pagodenförmigen Dachs kauernd, beobachtete ich, wie der Wagen sich gemächlich auf der Straße entfernte. Dreimal blieb er stehen, und der Suchscheinwerfer strahlte dieses oder jenes an. Sie brauchten fünf Minuten für die Strecke bis zum vorderen Ende des Rummelplatzes, und ich befürchtete, daß sie nach rechts abbiegen würden, was bedeutet hätte, daß sie zur ersten Schaustellerstraße zurückfuhren, um eine weitere Runde zu drehen. Aber sie bogen nach links ab, in Richtung der Tribüne, der Rennbahn und der Ställe — dem Gelände der Landwirtschaftsausstellung mit ihren Viehprämierungen und Pferderennen.
    Meine Zähne klapperten trotz der Augusthitze. Mein Herz hämmerte so schnell und so laut, daß es meinem Gefühl nach eigentlich sogar den Motor hätte übertönen müssen. Und beim Atmen gab ich Geräusche wie ein Blasebalg von mir. Ich war eine regelrechte Ein-Mann-Kapelle, die sich nur auf Rhythmus, nicht auf Melodie spezialisiert hatte.
    Ich lehnte mich an die Budenwand und wartete darauf, daß das heftige Zittern verging und ich mir wieder zutraute, mich mit der Leiche im Autoskooter zu beschäftigen. Sie irgendwie verschwinden zu lassen, würde gute Nerven, Ruhe und die Vorsicht einer Maus in einer Katzenshow erfordern.
    Als ich mich schließlich voll unter Kontrolle hatte, rollte ich meinen Schlafsack klein zusammen und trug das Gepäck zu einer besonders dunklen Stelle
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