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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Autoren: Philip Tamm
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einen Angestellten.
    Dann fällt mir ein, dass ich ja einen Angestellten habe. Erik.
    Zehn Sekunden später hänge ich am Telefon. »Hi, hier ist Alex. Wo steckst du?«
    »Hi, Alex. Wo soll ich sein? Im Bett.« Es geht auf halb zwölf zu, und offenbar habe ich ihn geweckt.
    Erik ist fünfzehn Jahre jünger als ich, aber damit ist er dennoch alt genug, um als erwachsener Mann durchzugehen. Also als jemand, von dem man Verantwortung, Pflichterfüllung und vor allem Pünktlichkeit erwarten darf. »Schwing deinen Arsch hierher, Erik. Oder du bist entlassen.«
    Ich höre eine Reihe seltsamer Geräusche. Husten, Röcheln, Stöhnen, Schlucken. Dann eine Reihe von Flüchen. Idiot, Pedant. Sklaventreiber.
    »Hast du mich gehört, Erik?«
    »Chill, Alex. Bin in zehn Minuten da. Hast was gut bei mir.«
    E i ne halbe Stunde später lässt Erik sich stöhnend an der Theke nieder. Er sieht aus wie ein Junkie im Endstadium, und das obwohl er eigentlich ein gut aussehender Typ ist. Dunkle leicht verfilzte Locken, ein kantiges Gesicht, auf den Punkt unrasiert. T-Shirts, Jeans, Sneakers. Gar nicht so viel anders als ich. Die gleiche Verpackung, anderer Inhalt. Oder nicht mal das. Ich habe eben nur die fünfzehn Jahre mehr auf dem Buckel. Und das sieht man.
    Ich koche ihm erst einmal einen dreifachen Espresso. Dürfte sein Überleben sichern.
    Er schlürft den Kaffee und erzählt mir etwas von letzter Nacht. Partys, Mädchen, Chemie, Spaß.
    Ich höre ihm zu, halb genervt, halb neidisch. Wann war meine letzte Party? Ich meine, meine letzte richtige Party, also nicht diese zweifellos netten Abende, die ich gemeinsam mit Inna und anderen befreundeten Paaren verbringe? Nicht dass irgendetwas gegen solche Events sprechen würde. Meistens treffen wir uns mit Torsten und Katarina oder mit anderen Freunden, es gibt selbst gemachte Pasta und guten Wein, dazu Hintergrundmusik von irgendeinem angesagten Jazzmusiker, dessen neueste Scheibe eine hymnische Besprechung in der Zeit oder der Süddeutschen Zeitung hatte. Alles fein. Aber es ist eben nicht dasselbe, wie in einer Wohnung, dessen Besitzer man nicht kennt, betrunken auf dem Fußboden zu sitzen und mit Mädchen rumzumachen, die man ebenfalls nicht kennt.
    Gott! Mein Opa hat von Stalingrad geredet, mein Vater von Woodstock, und ich? Von den Partys von früher? Auch nicht viel besser.
    Nach dem zweiten dreifachen Espresso ist Erik einsatzbereit, und wir beginnen unsere alltägliche Coffee-and-Bagelshow hinter dem kleinen Tresen zu vollführen, ungefähr wie Tom Cruise und Bryan Brown in Cocktail . Wir werfen uns die Gläser zu, lassen die Bagels und Wraps durch die Luft fliegen, klopfen mit den Siebträgern unserer Kaffeemaschine heiße Rhythmen auf den Tresen. Zwischendurch quatschen wir mit den Gästen, trinken selbst einen Kaffee oder verdrücken ein Sandwich, hören Musik, bestaunen die Mädchen und Frauen, die sich hier zum ersten Mal blicken lassen. Der Tag vergeht schnell und geschmeidig wie ein Alpinskirennen auf gut gewachsten Skiern.
    Und ich habe wirklich nicht den geringsten Grund, mich zu beschweren!

4
    D e r nächste Morgen, kurz nach sechs. Die Stimme des Generals peitscht durch die Schlafstube und reißt mich aus den Träumen.
    » ALEX ZIMMER ! AUFST EH EN ! Aber ZACK , ZACK !«
    Ich springe aus dem Bett, als hätte man mich mit einem Elektroschocker geweckt. Ich stehe stramm und salutiere. Der General sieht mit gerunzelter Stirn auf seine Uhr. »Mal wieder verschlafen, Zimmer, was? Und das Bett ist auch noch nicht gemacht. Ein wenig lahm, was?«
    »Tut mir leid«, murmele ich leise und lasse mich wieder aufs Bett sinken.
    » WIE BITTE ?«, donnert der General.
    » SIR ! ES TUT MIR LEID ! SIR !«
    Ihr Gesicht wird etwas milder. »Wieso, Sir? Bist du bescheuert, Alex?«
    Inna steht vor dem Bett und lächelt zu mir herunter. Sie ist schon längst wach, hat ihr Yoga gemacht, sieht aus wie das blühende Leben.
    »Habe ich Sir gesagt?«, frage ich verunsichert.
    »Hast du.«
    »Ich träume wohl noch.«
    Sie sieht mich mit gerunzelter Stirn an. »Egal. Aber steh jetzt bitte auf, Alex. Ich habe die Kinder schon geweckt, mach du ihnen bitte Frühstück … VERSTANDEN , ZIMMER ?«
    » SIR ! JA , VERSTANDEN ! SIR !«
    A l s ich kurz darauf unter der Dusche stehe, fällt mir wieder einmal ein, dass ich nicht mit einer, sondern mit zwei Frauen verheiratet bin.
    Die eine sehe ich vor allem am Wochenende, an Feiertagen und in den Ferien. Inna – und zwar die Inna, die mehr oder weniger
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