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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Autoren: Philip Tamm
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noch genauso ist wie die Frau, die ich vor fünfzehn Jahren kennengelernt und vor fast dreizehn Jahren geheiratet habe.
    Die andere Frau ist die von heute Morgen. Die Montag-bis-Freitag-Inna. Sie trägt Uniform, jedenfalls mental, und befehligt eine kleine Privatarmee, die aus vier Personen, einem Hund und einer Katze besteht.
    Ich kann gar nicht genau sagen, wann diese Rollenverteilung aufgekommen ist, aber es muss ziemlich bald nach Emmas Geburt gewesen sein. Danach waren es dann vier Phasen, die zum heutigen Zustand geführt haben.
    Phase 1 – die Euphorie. Emma war auf der Welt, und wir waren eine richtige, große, vierköpfige Familie. Der Hormonrausch nach der Geburt unserer Tochter machte uns auf angenehme Art realitätsblind. Ich verstand gar nicht, warum andere Väter immer so jammern, wenn Säuglinge im Haus sind. Ich fand’s einfach gigantisch. Ich schlief nachts zwar nicht. Aber das lag keineswegs daran, dass Emma so viel schrie. Sondern daran, dass ich so dermaßen verknallt in meine eigene Tochter war, dass ich die ganze Nacht neben ihrem Bettchen saß und ihr beim Schlafen zusah.
    Phase 2 – das Erwachen. Inna und meine Gespräche wurden irgendwie eindimensional. Ihr Textbeitrag klang meistens so: »Hör zu, Alex, ein Säugling frühstückt nicht erst um halb neun, und er will auch nicht Milchkaffee und Croissants … Und nein, ein sechs Monate altes Mädchen duscht nicht, sondern badet, und dabei braucht sie deine Hilfe. Und bis sie sich alleine anziehen kann, wird es noch einige Jahre dauern.«
    »Echt?«
    »Bitte, Alex. Das ist nicht witzig. Wir müssen jetzt beide wirklich mit anpacken, sonst schaffen wir das nicht.«
    Phase 3 – die Generalin. Siehe oben. Inna hatte eingesehen, dass ich kein Talent dazu besitze, ein guter Familienvater zu sein. Man muss mir halt sagen, was ich tun soll. Ich wiederum habe eingesehen, dass es gar nicht so schlimm ist, wenn man mir sagt, was ich tun soll. Die Trefferquote ist dann höher.
    Phase 4 – mein Leben und ich. Alles ist genau wie in Phase drei. Nur, dass diese Phase inzwischen halt fast zehn Jahre dauert. Ab und zu geht es mir auf die Nerven, und ab und zu nicht.
    Oder nein, ich formuliere es anders. Die Phasen, in denen es mir auf die Nerven geht, sind der Preis, den ich für die Phasen zahlen muss, die einfach fantastisch sind. Die, in denen die Dinge gut sind und rund laufen. Die, in denen ich denke, dass alles genauso ist, wie ich es mir wünsche.
    Das ist halt nicht immer so. Aber oft. Oft genug.
    W e nn du eine Frau heiratest, hast du das Gefühl, dass sich die Tür zu einer ganz neuen Welt öffnet. Nach einigen Jahren aber merkst du, dass sich gleichzeitig die Türen zu allen anderen Welten geschlossen haben.
    Oder um es einfacher auszudrücken: Wenn du eine Frau heiratest, bedeutet das, dass du alle anderen Frauen nicht heiratest.
    Es gibt kaum jemanden, der mir diese Erkenntnis so oft und so penetrant unter die Nase reibt wie mein alter Freund Gerrit.
    Auch heute ist es mal wieder so weit.
    Es ist kurz vor acht Uhr abends. Das Schuster’s ist geschlossen, und ich räume auf, spüle, fege, bereite alles für den nächsten Tag vor. Gerrit sitzt am Tresen, weigert sich zu gehen, trinkt Averna auf Eis und lässt den Zündschlüssel seines Ford Mustangs um den Finger kreisen. Ich habe den Fehler begangen, Gerrit von dem Phasenmodell meiner Ehe zu erzählen.
    Gerrit zieht sich seine verspiegelte Zuhälter-Sonnenbrille auf die Nasenspitze und sieht mich über ihren Rand hinweg an. Jetzt habe ich also den Salat. Eine Beziehungs-Diskussion mit Gerrit. Lieber rede ich mit dem Papst über außerehelichen Sex oder mit dem amerikanischen Präsidenten über Friedenspolitik. Aber ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er mich nicht mehr vom Haken lässt.
    »Warte mal, Alex. Das kapiere ich nicht. Also, du erkaufst dir sozusagen zehn gute Minuten mit deiner Frau für fünfzig miese Minuten? Gott, Alter, was ist denn das für eine Lebenseinstellung?«, fragt er mit seiner näselnden Martin-Semmelrogge-Stimme.
    »Das ist keine Lebens einstellung . Das ist das Leben.«
    »Du willst es auch noch rechtfertigen? Obwohl, stimmt, die Lemminge springen auch freiwillig in den Abgrund.«
    Gerrit schüttelt befremdet den Kopf. So als würden wir uns über offene, eiternde Geschwüre unterhalten. Für etwas Ähnliches hält er die Ehe auch.
    »Nein, Himmel!«, sage ich. »Aber es ist halt so. Ich habe es mir nicht ausgesucht. Und ich habe es nicht erfunden. Aber
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