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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer
Autoren: Britta Keil
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Schuhe und Panik befiel mich, da ich nur ungefähr drei Paar Schuhe mit Namen kannte: Antonia, Isabella und Marie.
    Antonia ist eine Bekannte von Isabella. Sie kennen sich vom Tanzkurs und irgendwie hatte es Isabella geschafft, sich auf Antonias Gästeliste zu zaubern. Antonia geht nämlich schon in die zwölfte, und gesetzmäßig wären wir Babys in ihren Augen. Aber erstens ist Isabella die beste Tänzerin der Gruppe und zweitens ist sie schön wie eine Fee. Und wer holt sich nicht gern eine Attraktion auf seine Party?
    Im Schatten der Attraktion schob ich mich einen schlecht beleuchteten Flur entlang, in dem sich bereits Taschen und Jacken türmten.
    Wenn Partys einen charakteristischen Geruch haben, dann wohl den, der mir aus Richtung Wohnzimmer entgegenschlug. Ich identifizierte ihn als eine Mischung aus Zigarettenrauch, Majonäse und Parfüm.
    Ich vergrub die Hände in meinen Hosentaschen. Sie waren schon wieder total feucht, wie immer, wenn ich unsicher bin und im Begriff, fremden Menschen gegenüberzutreten.
    Ich hasse meine Hände. Mit diesen Händen kann man einfach niemanden kennenlernen! Es sei denn, man schafft es, das grausame Ritual des Händeschüttelns zur Begrüßung zu umgehen, zum Beispiel durch eine völlig unangemessen überschwängliche Umarmung. Isa nannte mich immer liebevoll »Fröschlein«, wenn die Nervosität mir gerade mal wieder die Finger flutete.
    Das Fröschlein versuchte also, die elende Transpiration in den Griff zu bekommen, während Isa-Fee zielstrebig dem zwischenmenschlichen Erstkontakt an diesem Abend entgegenschwebte. Offenbar ohne jede Bedenken marschierte sie in Richtung Wohnzimmer, aus dem uns bereits der Klang einer amüsierten Menschenmenge entgegenwehte.
    »Isa!« Ein großes, schillerndes Mädchen mit langen blonden Locken winkte in unsere Richtung. Antonia. Antonia und Isa begrüßten sich sehr laut und herzlich – so von Fee zu Fee – und der Frosch in mir fragte sich, wie all der Zauber im selben Augenblick so faszinierend und zugleich doch so unecht wirken konnte. Diagnose: übergroßes Bewusstsein. Es ist eine meiner speziellen Eigenschaften, undurchsichtige Momente und mir unbekannte handelnde Personen in ihre Einzelteile zu zerlegen, bis sie durchsichtig werden und in meine Schubladen passen.
    Schubladendenken ist unter toleranten Menschen ja total verpönt, aber ich finde meine Schubladen sehr praktisch. Sie machen Situationen und Menschen berechenbar, zumindest erzeugen sie die Illusion von Berechenbarkeit.
    Antonia löste sich aus der Umarmung mit Isa und wandte sich mir zu. »Hi, Marie. Schön, dass ihr da seid.« Antonia strahlte.
    Eindeutig ein Cola-Light-Mädchen: Schoko-Teint, sportlich, beliebt.
    Umgehend durchforste ich meine Schublade nach Informationen. Cola-Light-Mädchen lieben Inline-Skaten, Mangoschorle und Beachvolleyball, dürfen im Sportunterricht die Mannschaften auswählen und haben in der Regel viele männliche Freunde, von denen circa die Hälfte heimlich in sie verliebt ist. Cola-Light-Mädchen sind bodenständige und tendenziell wenig ausgeflippte Naturen mit grandiosen Smalltalk-Qualitäten.
    »Hi.« Ich gebe Antonia die Hand.
    »Coole Party, Toni.« Isa war mal wieder ganz in ihrem Element. Ihre Heiterkeit hatte etwas beinah Professionelles.
    Das habe ich immer an Isa bewundert: diese äußere Leichtigkeit, mit der sie durch die Welt spaziert, diesen faszinierenden Optimismus verbreitend, dass das Leben es im Grunde gut mit ihr meint. (Mathematik-Klausuren ausgenommen!) Was diesen Punkt betrifft, waren wir das perfekte Team. Man könnte sagen: Ich war das Wenn und das Aber und Isa das Trotzdem.
    »Wollt ihr was trinken? Steht alles in der Küche. Bedient euch, ja?«, sagte Antonia, warf Isa einen bedeutungsvollen Blick zu, den ich nicht verstand, und schwirrte davon, um die nächsten Gäste zu begrüßen.
    Die Küche. Inzwischen weiß ich, dass es auf Partys in der Regel zwei Orte gibt, um die man als klaustrophob veranlagter Mensch einen riesigen Bogen machen sollte. Die Küche und den Balkon. An dem einen tummeln sich die sozial Hochbegabten, auf dem anderen die Raucher. Weder der einen noch der anderen Bevölkerungsschicht zugehörig lief ich geradewegs in mein Verderben.
    »In Kürze erreichen wir Bad Kleinen. Nächster Halt: Bad Kleinen. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.«
    Die Frau im geblümten Sommerkleid ist offensichtlich am Ziel. Ohne mich eines Blickes oder Grußes zu würdigen, knautscht sie die Illustrierte in einen
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