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Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum

Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum

Titel: Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum
Autoren: Andrea Schacht
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blieb steinern. »Das verstehst du nicht.«
    »Nein? Verstehe ich nicht? Hat mich mein Vater falsch informiert? Ist Dr. Torwald Grimal nun dein Vater?«
    »Er würde es nicht so sehen.«
    »Aha. Du hast dich ihm gegenüber also genauso stur verhalten wie mir und Ina gegenüber. Klar, mit so einem Stoffel wollte ich auch nichts zu tun haben.«
    »Niemand hat dich gezwungen, dich mir aufzudrängen.«
    »Ich habe mich nicht aufgedrängt. Du hast mir deinen verletzten Kater in den Arm gedrückt. Schon vergessen?«
    »Zufällig
dir
«, raunzte Kris, und Raufer fauchte von seinem Korb aus.
    »Zufällig mir, ja. Und zufällig hast du ihn anschließend aufgenommen und gepflegt. Du kannst es doch gar nicht leugnen, Kris, dass dir die Tiere etwas bedeuten.«
    Anjas Ton war etwas sanfter geworden, aber ihre Augen blitzten noch immer.
    »Nein, ich kann ein Tier nicht leiden sehen. Aber was hat das …«
    »Aber Menschen kannst du leiden sehen, ja? Eine alte Frau, die vor Sorgen nicht schlafen kann – das kannst du kalt lächelnd mit ansehen? Die um ihre kleine Rente bangt, weil sie ein Bußgeld zu erwarten hat? Und keinen Cent übrig hat, um einen Anwalt zu bezahlen? Die von einem durchgeknallten Hausaffen beschimpft und gedemütigt wird und sich nicht wehren kann, weil sie ängstlich und schwach ist? Das geht dir am Hintern vorbei, was?«
    »Nein. Nein, nein. NEIN!«
    »Schön. Dann hör auf zu brüllen und ruf deinen Vater an.«
    »Ich brülle nicht – du brüllst!«
    »Ich brülle nicht – ich fauche!«
    Kris musste zugeben, dass Anja in allen Punkten recht hatte, aber das änderte nichts an seiner Weigerung. Auch wenn sie die sicher nie verstehen würde.
    »Wenn du deinen würdigen Herrn Papa nicht belästigen möchtest«, säuselte Anja jetzt, »dann ruf deine Mama an und erkläre ihr die Sachlage. Sie wird es ihm bestimmt schonend beibringen, Mausespeck!«
    »Anja, so geht das bei uns nicht.«
    »Nein, das scheint mir auch so zu sein. Und ich kann mir sehr gut vorstellen«, plötzlich wurde ihre Stimme so laut, dass Raufer sich unter dem Sofa verkroch, »AN WEM DAS LIEGT!«
    Rums!
    Die Tür war zugefallen, und Kris fiel mit einem Aufstöhnen in die Polster. »Du kannst wieder rauskommen, Raufer, die Furie ist fort!«
    Eine Pfotenspitze tauchte neben seinem Fuß auf, dann eine andere. Dann zwei Ohren. Und zwei zweifelnd dreinblickende Augen. »Hast ja recht, mein Freund, sie ist ein Krawallhuhn.« »Mirrr?«
    »Ein lautes.«
    Der ganze Rauferkopf erschien, und Kris strich ihn mit zwei Fingern.
    Langsam robbte der Kater unter dem Sofa hervor, sicherte nach allen Seiten und sprang dann hoch zu Kris und plumpste an dessen Seite nieder. »Sie kann das nicht verstehen, Raufer. Aber ich habe auch meinen Stolz.« Raufer rieb seinen Kopf an Kris’ Arm. »Du würdest das verstehen, wenn du meine Sprache beherrschen würdest.« »Mau.«
    »Ja, doch. Du bist auch ein stolzer Kerl, und ich weiß, was für Kröten du schlucken musstest, als du nicht richtig laufen konntest. Ich hab dir deine schlechte Laune nicht übelgenommen, Kleiner.« Kris kraulte Raufers Nacken und spürte die vielen kleinen Narben unter dem Fell. »Reichlich Kampferfahrung gesammelt, was?«
    »Mirrr!«
    »Ich auch, Kamerad.« Dann seufzte Kris noch mal. »Ich kann meinen alten Herrn nicht so ohne Weiteres anrufen. Das geht nicht, Mann. Was soll ich denn sagen? Hi, Papa, wir haben zwar seit fünfzehn Jahren nichts mehr voneinander gehört, aber jetzt müsstest du rasch mal einen Schriftsatz für meine Freundin aufsetzen?«
    Raufer legte seine bandagierten Pfoten auf Kris’ Oberschenkel und sah ihn fragend an.
    »Ja, ja, ich bin damals im Zorn gegangen, Raufer. Bevor er mich rauswerfen konnte. Ich habe es auch alleine geschafft. Anfangs habe ich noch nicht einmal mit meiner Mutter gesprochen, und das war natürlich schofelig von mir. Sie habe ich erst wiedergetroffen, als sie mich nach einem Einsatz angeschlagen in Krankenhaus gebracht haben. Sie hat kein Wort des Tadels laut werden lassen. Hat mich nur einfach wieder zusammengeflickt.«
    »Maumau?«
    »Ja, so wie man dich auch zusammengeflickt hat. Seither – na, ich schaue eben manchmal im Krankenhaus vorbei, um hallo zu sagen. Über meinen Vater sprechen wir nicht.«
    Versonnen griff Kris nach einem Plätzchen und biss hinein. Dann leckte er sich die Krümel von den Fingern und sagte: »Ich bin stur, aber er ist sturer, Raufer. Als ich vierzehn war, schickte er mich ins Judo-Training, weil er der Meinung
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