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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See
Autoren: Jorge Amado
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werden.«
    Leonardo warf ihr einen flehentlichen Blick zu. Er wusste, dass es zwecklos war, mit Vanda zu streiten, sie setzte sich mit ihren Meinungen und Wünschen doch immer durch. So war es auch bei Joaquim und Otacília gewesen, nur dass Joaquim eines Tages alles stehen- und liegenließ und die Welt eroberte. Nun ja, da blieb wohl nichts, als die Leiche nach Hause zu bringen und loszugehen, um Bekannten und Freunden Bescheid zu sagen, man musste die Leute anrufen und dann die ganze Nacht wach bleiben und sich anhören, wie von Quincas erzählt wurde, bei unterdrücktem Gelächter und Augenzwinkerei, und das alles, bis es hinaus zum Friedhof ging … Der Schwiegervater hatte ihm das Leben sauer gemacht, ihm die größten Unannehmlichkeiten bereitet. Leonardo hatte immer in der Furcht vor »seinem nächsten Streich« gelebt, davor, dass er die Zeitung aufschlug und las, Quincas sei wegen Herumtreiberei festgenommen worden, wie es einmal tatsächlich der Fall gewesen war. Gar nicht denken wollte er an den Tag, an dem er auf Vandas Drängen zur Polizei gegangen war, dort hatten sie ihn von Pontius zu Pilatus geschickt, bis er Quincas schließlich im Keller der Hauptwache fand, barfuß und in Unterhosen, vertieft ins Kartenspiel mit Dieben und Betrügern. Und nach alldem, jetzt, da er glaubte, endlich atmen zu können, sollte er sich noch einen ganzen Tag und eine ganze Nacht mit dieser Leiche herumärgern, und das im eigenen Haus …
    Aber Eduardo war ebenfalls dagegen, und seine Meinung galt etwas, er hatte sich ja verpflichtet, einen Teil der Bestattungskosten zu tragen:
    »Das ist alles schön und gut, Vanda. Soll er bestattet werden wie ein Christenmensch. Mit Priester, neuem Anzug und Kranz. Verdient hat er das alles nicht, aber er ist und bleibt doch dein Vater und mein Bruder. Das ist alles in Ordnung. Aber wozu den Verstorbenen ins Haus holen …«
    »Wozu?«, kam das Echo von Leonardo.
    »… allen möglichen Leuten Ungelegenheiten bereiten, und dann muss man noch sechs oder acht Wagen mieten für den Leichenzug? Weißt du, was einer davon kostet? Und dazu noch die Überführung der Leiche von Tabuão nach Itapagipe? Ein Vermögen. Warum geht der Leichenzug nicht von hier ab? Und das letzte Geleit geben ihm wir. Da reicht es mit einem Wagen. Das Seelenamt können wir, wenn euch daran liegt, im größeren Kreis feiern.«
    »Sagt den Leuten, dass er in der Provinz gestorben ist.« Tante Marocas wollte nicht von ihrem Vorschlag abweichen.
    »Können wir machen. Warum nicht?«
    »Und wer hält die Totenwache?«
    »Na, wir. Reicht das etwa nicht?«
    Am Ende gab Vanda nach. Tatsächlich – dachte sie – wäre es doch etwas übertrieben gewesen, den Leichnam mit nach Hause zu nehmen. Das hätte nur Umstände gemacht, Kosten und Ärger verursacht. Das Beste war, Quincas so diskret wie möglich zu begraben und hinterher die Freunde zu informieren, sie zum Seelenamt einzuladen. So verblieben sie. Dann bestellten sie den Nachtisch. Aus einem nahen Lautsprecher plärrte eine Stimme etwas von den herausragenden Konditionen einer Immobilienfirma.

6
    Onkel Eduardo war in den Laden zurückgekehrt, den er nicht in der Obhut seiner Angestellten lassen konnte, dieser Gaunerbande. Tante Marocas hatte versprochen, später zur Totenwache zu kommen, sie musste noch einmal nach Hause, wo sie in der Eile, zu erfahren, was passiert war, alles hatte stehen- und liegenlassen. Leonardo würde auf Vandas persönlichen Rat seinen freien Nachmittag nutzen, um zum Makler zu gehen und einen Kaufvertrag abzuschließen: Sie waren dabei, ein Stück Land auf Raten zu erwerben. Eines Tages würden sie, so Gott wollte, ein Eigenheim besitzen.
    Sie hatten verabredet, sich abzuwechseln: Vanda und Marocas würden den Nachmittag und Abend übernehmen, Leonardo und Onkel Eduardo die Nachtschicht. Die Ladeira do Tabuão war kein Ort, an dem sich eine Dame des Nachts sehen lassen konnte, der Hügel hatte einen schlechten Ruf, war bevölkert von Spitzbuben und leichten Mädchen. Am folgenden Morgen sollte dann die ganze Familie zur Beerdigung zusammentreffen.
    So kam es, dass Vanda sich am Nachmittag allein mit dem Leichnam des Vaters wiederfand. Die Geräusche von einem armen und intensiven Leben, das auf dem Hang seinen Lauf nahm, drangen kaum in den dritten Stock des schäbigen Gebäudes, in dem der Tote sich ausruhte, das Wechseln der Kleidung war doch recht anstrengend gewesen.
    Die Männer vom Bestattungsunternehmen hatten gute Arbeit
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