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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See
Autoren: Jorge Amado
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schwarz, ein weißes Hemd, eine Krawatte, ein Paar Socken. Unterhosen waren nicht erforderlich. Eduardo notierte jede Ausgabe, die getätigt wurde, in ein kleines Heft. Er war ein Meister des Haushaltens, sein Ladengeschäft florierte.
    Unter den geschickten Händen der Mitarbeiter des Bestattungsunternehmers wurde Quincas Wasserschrei nach und nach wieder zu Joaquim Soares da Cunha, während sich seine Verwandten im Restaurant an einem Fischeintopf gütlich taten und über das Begräbnis diskutierten. Diskussionen im engeren Sinne gab es nur um einen Punkt: von wo der Leichenzug losgehen sollte.
    Vanda hatte erwogen, den Leichnam nach Hause bringen zu lassen, die Totenwache im Wohnzimmer abzuhalten und den Trauergästen Kaffee, Likör und Gebäck zu reichen, über Nacht. Pater Roque sollte zur Aussegnung kommen. Die Trauerfeier wollte sie morgens ansetzen, um möglichst vielen die Gelegenheit zur Teilnahme zu geben, Kollegen aus dem Amt, alten Bekannten, Freunden der Familie. Leonardo erhob Einwände. Wozu den Verstorbenen nach Hause bringen? Wozu Nachbarn und Freunde einladen, einer Menge Leuten Ungelegenheiten bereiten? Nur damit sie alle herumsaßen und an die Narrenstreiche des Verstorbenen zurückdachten, an das unsägliche Leben, das er in den letzten Jahren geführt hatte, zur Scham der Familie vor aller Welt? So wie am Vormittag im Amt. Da war von gar nichts anderem mehr geredet worden. Jeder kannte irgendeine Anekdote von Quincas und erzählte davon unter schallendem Gelächter. Er selbst, Leonardo, hätte sich nie träumen lassen, dass der Schwiegervater das alles auf dem Kerbholz haben könnte. Bei jeder einzelnen dieser Geschichten lief es einem kalt den Rücken runter … Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Quincas längst tot und begraben wähnten oder glaubten, er lebe irgendwo in der Provinz. Und die Kinder? Sie hielten das Andenken an einen musterhaften Großvater hoch, der in Gottes Frieden ruhte, und da sollten die Eltern auf einmal mit dem Leichnam eines Herumtreibers daherkommen und ihn den Unschuldigen vor die Nase knallen? Abgesehen davon, was das für eine Arbeit machen würde, und von den zusätzlichen Kosten, als wären das nicht schon genug Ausgaben für die Beerdigung, der neue Anzug, das Paar Schuhe. Er, Leonardo, bräuchte eigentlich auch ein paar Schuhe, gerade habe er sich welche neu besohlen lassen, uralte Latschen, aber das kam nicht so teuer. Wann würde er überhaupt an neue Schuhe denken können, so wie hier das Geld verschleudert wurde?
    Tante Marocas, von außerordentlicher Leibesfülle und ganz begeistert von dem Fischeintopf des Restaurants, vertrat dieselbe Ansicht:
    »Am besten, wir verbreiten, dass er in der Provinz gestorben ist und wir per Telegramm davon erfahren haben. Und dann laden wir am siebten Tag zum Seelenamt ein. Da kann kommen, wer will, und wir sind nicht verpflichtet, alle Welt hinzukutschieren.«
    Vandas Gabel blieb in der Luft stehen:
    »Es geht hier immer noch um meinen Vater. Ich will nicht, dass er wie ein Herumtreiber begraben wird. Wie würde dir das gefallen, Leonardo, wenn es um deinen Vater ginge?«
    Onkel Eduardo zeigte sich wenig sentimental:
    »Was war er denn anderes als ein Herumtreiber? Und zwar einer der schlimmsten von Bahia. Selbst wenn es sich um meinen Bruder handelt, kann ich das nicht leugnen …«
    Tante Marocas stieß auf, mit vollem Wanst und vollem Herzen:
    »Der arme Joaquim … Er war eine gute Seele. Er tat das alles nicht aus bösem Willen. Ihm gefiel dieses Leben halt, jeder hat da sein eigenes Schicksal. Er ist schon von klein auf so gewesen. Einmal, weißt du noch, Eduardo? … Da wollte er mit einer Zirkustruppe durchbrennen. Eine furchtbare Tracht Prügel hat er dafür bekommen.« Sie klopfte Vanda, die neben ihr saß, auf den Schenkel, wie um sich zu entschuldigen. »Deine Mutter, Schätzchen, die hat ihn auch ganz schön herumkommandiert. Einmal kam er zu mir und sagte, er wolle frei sein wie ein Vogel. Eigentlich war er ein lustiger Geselle.«
    Keiner der anderen lachte. Vandas Gesicht hatte sich verdüstert, sie sagte trotzig:
    »Ich will ihn überhaupt nicht verteidigen. Seinetwegen haben wir sehr gelitten, ich und meine Mutter, die eine anständige Frau war. Und auch Leonardo. Aber deswegen möchte ich noch lange nicht, dass er begraben wird wie ein Straßenköter. Was würden die Leute sagen, wenn das bekannt wird? Bevor er wahnsinnig wurde, war er ein angesehener Mann. Nein, er muss ordentlich begraben
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