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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse
Autoren: Werner Schrader
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sichernden Blick in die Runde sprangen sie auf die Geleise, stolperten um den Waggon herum und kletterten an der dem Bahnsteig abgewandten Seite unbemerkt hinauf. Neben einem dunkelgrünen Mercedes legten sie sich auf den Boden.
    „Alles okay?“ fragte Joachim.
    „Ja!“ antwortete Lutz.
    „Paß auf, daß dein Campingbeutel nicht ‘runterfällt!“
    „Den hab’ ich unter’s Auto geschoben.“
    „Gut! Und jetzt kein Wort mehr, es muß sofort losgehen!“
    Sie hörten, wie die Abfahrt des Zuges im Lautsprecher angekündigt wurde, sahen unter dem Auto hindurch, wie ein Reisender, der offenbar nach Vegesack wollte, den Bahnsteig entlangbummelte, vor dem letzten Wagen stehenblieb, nahe herankam, sich umwandte, auf- und abging, und spürten endlich, unsagbar erleichtert, wie sich der Zug in Bewegung setzte. Die Anzeigentafeln glitten an ihnen vorüber, ein Kiosk, die Telefonzelle, der Fahrstuhlschacht, das Häuschen der Bahnbeamten, eine lange Reihe von Gepäckkarren, eine winkende Frau — dann hatten sie den Bahnhof verlassen.
    Es zog fürchterlich auf dem offenen Wagen. Lutz drückte den Kopf auf den Boden und schloß die Augen. Er verließ sich ganz auf Joachim, der würde es schon richtig machen. Aber noch lag er regungslos vor ihm.
    Der Zug ratterte und stampfte und gewann rasch an Geschwindigkeit. Es heulte und pfiff um sie herum. Jedes der Autos schien einen eigenen Ton im Fahrtwind zu erzeugen.
    Sie waren längst an Dreye vorbei, als Joachim sich langsam auf richtete und an dem Mercedes neben sich herumzuwerken begann. „Wir nehmen gleich diesen hier!“ rief er Lutz zu. „Das ist ein Zweihundertachtziger, der ist geräumig.“ Lutz kam ebenfalls hoch, hielt sich an dem Griff der hinteren Tür fest und sah seinem Freund zu.
    „Ist bei dem denn eine Tür offen?“ fragte er.
    „Noch nicht, aber gleich“, antwortete Joachim. „Der ist günstig für unsern Zweck wegen der kleinen Ausstellfenster vorne. Da braucht man nicht die große Scheibe zu zertrümmern, wenn man mal seinen Schlüssel gerade nicht zur Hand hat, da tut’s die kleine auch. Aber Moment mal, der Opa hat ja die große Scheibe gar nicht ganz hochgedreht! Guck dir das an! Da kann man fast die Hand durchschieben! Also, das nenn’ ich aber wirklich leichtsinnig. Da fühl’ ich mich ja direkt zum Einsteigen eingeladen und kann mir die Scherben ersparen!“
    Er steckte die Hand in die Hosentasche und zog nach kurzem Suchen ein Knäuel Draht heraus. Geschickt entwirrte er es, bog ein Ende zu einer halbrunden Öse zusammen und schob darauf den Draht durch den Spalt in das Wageninnere hinein. Mit einiger Mühe gelang es ihm, die Öse um den Knopf der Türverriegelung zu streifen.
    „Uff“, sagte er, „das war nicht einfach!“ Er zog vorsichtig, und schon war die Tür entriegelt.
    „So, nun können der Herr Graf einsteigen.“
    Sie kletterten über die Vordersitze nach hinten, schlugen die Tür zu und richteten sich ein.
    „Na, zufrieden?“ fragte Joachim. „Ist das nicht eine Luxuskabine 1. Klasse? Jetzt futtern wir ‘ne Kleinigkeit, und dann machen wir auf den Liegesitzen ein erholsames Schläfchen, damit wir frisch und ausgeruht in München ankommen. Warte mal, ich will mal versuchen, die Innenbeleuchtung in Gang zu setzen; wir haben es doch nicht nötig, unser Abendbrot im Dunkeln zu essen.“
    „Laß das Licht lieber aus!“ rief Lutz. „Das kann man doch von der Straße sehen!“
    „Aber nur vielleicht!“ entgegnete Joachim. „Der Zug hat doch mindestens 120 Sachen drauf. Da flitzen die Wagen so schnell vorbei, daß du schon die Schlußlichter in der Ferne verschwinden siehst, bevor du noch den Arm hochgekriegt hast, um dem Lokomotivführer Winkewinke zu machen. Lichter und so was kannste nicht unterscheiden, du, und so’n kleines wie hier bei uns schon gar nicht.“ Er zog den Reißverschluß seiner Lufthansatasche auf und wühlte darin herum.
    „Die Tasche ist prima“, sagte er, „da geht ‘ne Unmenge ‘rein, und doch vermutet keiner, weil sie so handlich ist, daß du ‘ne kleine Weltreise machen willst, wenn du sie umhängen hast. Das ist nämlich wichtig! Für das, was wir vorhaben, meine ich. Dein Campingbeutel ist auch in Ordnung, der paßt zu meiner Tasche. Wenn die Leute uns sehen, glauben sie, wir kommen vom Schwimmen oder vom Sport und machen sich keine dummen Gedanken. Um meinen Alten zu täuschen, habe ich seine rote Reisetasche auf dem Dachboden versteckt, sein bestes Stück, weißt du, das er im
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