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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse
Autoren: Werner Schrader
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verspätet, verpassen wir den Zug, dachte Lutz. Er trippelte nervös vor dem Geschäft auf und ab, sah flüchtig in die Auslagen und wurde immer unruhiger. Da öffnete sich oben über der Buchhandlung ein Fenster, ein Mann beugte sich hinaus, holte tief Luft und sagte: „Ah, herrlich! Komm, Lily, wir begleiten Fräulein Mund an die Bahn und vertreten uns noch ein wenig die Füße!“ Dann schloß sich das Fenster wieder. Lutz blickte noch einmal zur Brücke hinüber. Da klopfte ihm jemand von hinten auf die Schulter.
    Er erschrak und fuhr herum.
    Joachim grinste ihn an.
    „Hat’s lange gedauert?“ fragte er. „Ich konnte nicht eher, mein Alter hat sich mit dem Einschlafen ziemlich lange Zeit gelassen, weißt du, und darauf mußte ich ja leider warten, ich konnte ja nicht gut an seine Brieftasche gehen, bevor er schlief. Komm, auf geht’s! Wir können es gerade noch schaffen!“
    Lutz blies die Luft hörbar durch die Nase.
    „Mensch, hab’ ich mich verjagt!“ sagte er. „Ich dachte schon, ein Polizist hätte mir auf die Schulter geklopft!“
    „Polizist! Hast du etwa Angst? Mach dir nur nicht in die Hose!“
    Sie marschierten nebeneinander her, überquerten den Marktplatz und waren kurz darauf in der Sögestraße. Joachim trug einen Parka wie Lutz und hatte eine Lufthansatasche über der Schulter hängen.
    „Hast du Fressalien mit?“ fragte er.
    „Mensch, nee!“ rief Lutz und blieb stehen. „Daran hab’ ich gar nicht gedacht!“ Joachim faßte ihn am Ärmel und zog ihn weiter.
    „Kein Grund, den Zug zu verpassen! Wenn du stehenbleibst, kommen sie dir auch nicht nachgeflogen.“
    „Vielleicht kann ich in der Bahnhofshalle noch was kaufen“, sagte Lutz.
    „Kaum“, erwiderte Joachim, „die Zeit ist zu knapp. Reg dich nicht auf, ich hab’ ‘ne Kleinigkeit mit. Ein Paket Schwarzbrot, ‘n Viertel Butter und ‘n Tampen Mettwurst. Das reicht für die Nacht. Morgen früh in München kaufen wir uns frische Brötchen und ein bißchen Marmelade, bevor wir uns auf die Suche nach deinem unbekannten Vater machen. Na, und der wird uns ja wohl nicht hungrig vor die Tür setzen.“
    „Meinst du, daß alles glatt geht?“ fragte Lutz und blickte Joachim von der Seite an.
    „Was soll denn nicht glatt gehen?“ antwortete der. „Die Sache ist jetzt schon so gut wie gelaufen. Ich hab’ alles bedacht. Wenn nicht ein blöder Zufall dazwischenkommt, kann uns nichts passieren.“
    Um 22 Uhr 50 erreichten sie den Bahnhof.
    „Der Auto-Reise-Zug fährt von Gleis 5“, sagte Joachim. „Das paßt sehr gut. Von 5 a fährt nämlich der Vorortzug nach Vegesack. Wir tun, als ob wir den benutzen wollten, und gehen ganz hinten an den letzten Wagen ‘ran. Der steht weit draußen vor der Halle, wo nur noch so’n paar trübe Funzeln brennen. Da sieht uns kein Aas, wenn wir aufsteigen. Und dann legen wir uns flach auf den Boden, direkt neben oder, wenn’s geht, sogar unter ein Auto. Und erst wenn der Zug den Bahnhof verlassen hat und drei, vier Kilometer gefahren ist, knacken wir ein Auto und steigen ein.“
    „Knacken?“ fragte Lutz. „Du hast doch gesagt, bei irgendeinem Auto sei bestimmt eine Tür offen?“
    „Na klar, hab’ ich das gesagt“, knurrte Joachim. „Und es wird auch schon so sein. Aber wenn ich mich getäuscht habe, hole ich mein Hämmerchen aus dem Reisekoffer und hau’ ‘ne Scheibe ein. Das ist doch keine Sache, Mensch! Der Besitzer läßt sich in München eine neue Scheibe einsetzen und fertig! Das macht den nicht ärmer, du. Wer mit dem Traumexpreß fahren kann, hat Geld wie Mist. Ich glaub’ sogar, daß die Bahn den Schaden bezahlt, Transportbeschädigung, oder wie das heißt. Wir können auf keinen Fall die ganze Nacht auf dem offenen Waggon hocken, sonst kratzen sie uns in München als Eiszapfen von den Planken. Das ist nämlich ein D-Zug, mein Lieber. Was meinst du, wie das zieht, wenn der mit einem Affenzahn durch die Botanik saust!“
    Der Auto-Reise-Zug stand abfahrbereit auf Gleis 5. Es war 22 Uhr 53. Nur wenige Leute waren zu sehen.
    „Schön langsam gehen!“ flüsterte Joachim. „Der Vegesacker fährt erst in 20 Minuten. Wir haben keinen Grund zur Eile.“
    Sie schlenderten zur Halle hinaus, zählten dabei, wie viele Autos auf den offenen Wagen standen, stellten fest, daß es lauter große waren, und kamen schließlich an das Ende des Zuges.
    Kein Mensch war in ihrer Nähe.
    „Los!“ zischte Joachim, „‘runter auf die Schienen und von drüben aufsteigen!“
    Nach einem letzten
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