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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes
Autoren: Anthony Horowitz
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Vorwort
    Ich habe oft darüber nachgedacht, wie eigenartig die Verknüpfung von Umständen war, die zu meiner jahrzehntelangen Verbindung mit einer der ungewöhnlichsten und bemerkenswertesten Gestalten meiner Epoche geführt hat. Wäre ich ein Philosoph, so würde ich mich vielleich t fragen, inwieweit wir unser eigenes Schicksal überhaupt bestimmen oder die weitreichenden Folgen von Handlungen ermessen können, die zum gegebenen Zeitpunkt womöglich gänzlich unb edeutend erscheinen.
    So war es zum Beispiel mein Vetter Arthur, der mich bei den Fünften Northumberland-Füsilieren als Wundarzt empfahl, weil er dachte, das wäre möglicherweise eine nützliche Erfahrung für mich. Hätte er wissen können, dass ich auf diese Weise schon einen Monat später nach Afghanistan geschickt werden würde? Der Konflikt, der später der Zweite Anglo-Afghanische Krieg genannt werden sollte, hatte ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal begonnen. Und was war mit dem Ghazi, der mir in der Schlacht von Maiwand mit einem einzigen Zucken des Zeigefingers eine Kugel in die Schulter gejagt hat? Über neunhundert Briten und Inder sind an jenem Tag gestorben, und dass ich dazugehören sollte, war mit Sicherheit seine Absicht. Aber er hatte nicht gut gezielt, und obwohl ich schwer verwundet war, hat mich mein gutherziger, treuer Bursche Jack Murray gerettet. Über zwei Meilen hat er mich durch feindliches Gelände zurück zu den britischen Linien getragen.
    Murray starb im September desselben Jahres bei Kandaharund hat deshalb nie erfahren, dass ich als Invalide nach Hause geschickt wurde und anschließend – ein magerer Tribut für seine Heldentat – mein Leben am Rande der Londoner Gesellschaft mehrere Monate lang eher fristete als gestaltete. Am Ende dieser Zeit war ich ernsthaft entschlossen, an die Südküste Englands zu ziehen, was weniger meiner Neigung als der bitteren Realität immer schneller schwindender Mittel geschuldet war. Man hatte mir allerdings auch gesagt, dass die Seeluft meiner Gesundheit zuträglich wäre. Eine billigere Unterkunft in London wäre die wünschenswerte Alternative gewesen, und ich hätte beinahe Räumlichkeiten in der Euston Road bei einem Börsenmakler gemietet. Aber das Gespräch verlief nicht eben günstig, und so entschloss ich mich: Ich würde nach Hastings ziehen. Das war gesellschaftlich weniger attraktiv als Brighton, aber dafür nur halb so teuer. Meine Habseligkeiten waren schon fertig gepackt, und ich war bereit zur Abreise.
    Aber ich hatte die Rechnung ohne Henry Stamford gemacht, keinen engen Freund, sondern einen bloßen Bekannten, der mir im St. Bart’s Hospital als Assistent gedient hatte. Hätte er am Abend zuvor nicht übermäßig getrunken, so hätte er vermutlich kein Kopfweh gehabt, und wäre nicht dieses Kopfweh gewesen, hätte er sich bei dem chemischen Labor, wo er mittlerweile Arbeit gefunden hatte, wahrscheinlich nicht frei genommen. Aber so wie die Dinge lagen, bummelte er an diesem Tag eine Weile am Piccadilly Circus herum und beschloss dann, die Regent Street hinaufzuschlendern, um in Arthur Libertys East India House nach einem Geschenk für seine Frau zu suchen. Es ist schon merkwürdig! Wenn er einen anderen Weg genommen hätte, wäre alles ganz anders gekommen; denn dann wäre ich nicht mit ihm zusammengeprallt, als ich aus der Bar des Criterion trat, und das wiederum hätte zur Folge gehabt, dass ich womöglich Sherlock Holmes nie begegnet wäre.
    Denn wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe: Es war Stamford, der mir den Vorschlag machte, mir eine Wohnung mit einem seiner Kollegen zu teilen, den er für einen analytischen Chemiker hielt und der im selben Krankenhaus wie er arbeitete. Stamford machte mich mit Holmes bekannt, der damals gerade nach einer Methode suchte, mit der man Blutflecken nachweisen konnte. Unsere erste Begegnung war eigenartig und verwirrend, aber auch äußerst denkwürdig … ein deutlicher Vorgeschmack dessen, was noch kommen sollte.
    Es war der große Wendepunkt meines Lebens. Ich habe keinerlei literarische Ambitionen, und wenn mir damals jemand gesagt hätte, ich würde dereinst Autor eines halben Dutzends veröffentlichter Bücher sein, hätte ich darüber gelacht. Aber ich glaube, ich kann in aller Bescheidenheit und ohne übertriebene Eitelkeit sagen, dass ich die Abenteuer dieses großen Mannes in einer Weise geschildert habe, der eine gewisse Anerkennung zuteilwurde, und ich habe es deshalb als Ehre empfunden, als man mich
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