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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes
Autoren: Anthony Horowitz
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den Umständen beginnen, die Sie hierhergeführt haben. Wenn ich mich recht entsinne, steht bald Ihr zweiter Hochzeitstag an, nicht wahr?«
    »In der Tat, Holmes. Der Jahrestag ist übermorgen.«
    »Dann ist dies eine ungewöhnliche Zeit, um sich von Ihrer Frau zu trennen. Wenn Sie also beschlossen haben, Ihren Aufenthalt bei mir zu nehmen, und das auch noch für längere Zeit, dann muss es einen zwingenden Grund für Ihre Frau geben, Sie gerade jetzt allein zu lassen. Und welcher könnte das sein? Wenn ich mich recht entsinne, kam die ehemalige Miss Mary Morston aus Indien nach England und hatte hier weder Familie noch Freunde. Sie wurde als Gouvernante angestellt, um sich der Erziehung des Sohnes von Mrs. Cecil Forrester aus Camberwell zu widmen, wo Sie, wie Sie natürlich am besten wissen, ihre Bekanntschaft gemacht haben. Mrs. Forrester hat sich ihr gegenüber sehr nobel verhalten, besonders als es ihr schlecht ging, und ich könnte mir vorstellen, dass die beiden noch heute befreundet sind.«
    »Das ist tatsächlich der Fall.«
    »Wenn also jemand Ihre Frau von zu Hause wegruft, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass es Mrs. Forrester ist. Ich habe mich daher gefragt, was für Gründe sich hinter so einer Vorladung verbergen könnten, und bei dem derzeitigen kalten Wetter fällt einem natürlich als Erstes eine Erkrankung ein – und zwar die eines Kindes. Wenn Mrs. Forresters Sohn also krank wäre, könnte ihm die Anwesenheit seiner früheren Gouvernante sehr viel Trost spenden.«
    »Sein Name ist Richard, und er ist neun Jahre alt«, gab ich zu. »Aber wieso sind Sie sich so sicher, dass es die Grippe ist und keine viel ernstere Krankheit?«
    »Wenn es ernster wäre, hätten Sie gewiss darauf bestanden, den Jungen selbst in Augenschein zu nehmen.«
    »Ihre Überlegungen sind bis dahin in jeder Hinsicht absolut logisch«, sagte ich. »Aber sie erklären nicht, woher Sie wussten, dass sich meine Gedanken genau in dem Moment auf den Jungen gerichtet hatten, als Sie Ihre einleitende Feststellung trafen.«
    »Sie vergeben mir hoffentlich, wenn ich Ihnen sage, dass Sie wie ein offenes Buch für mich sind, lieber Watson, und dass Sie mit jeder Lebensregung eine weitere Seite aufschlagen. Als Sie da so Ihren Tee tranken, sah ich, wie Ihre Blicke auf die Zeitung fielen, die neben Ihnen auf dem Tisch liegt. Sie lasen die Schlagzeile und drehten die Zeitung dann aufs Gesicht. Warum? Ich hatte sofort den Verdacht, dass es der Bericht über das Zugunglück letzte Woche in Norton Fitzwarren war, was Sie beunruhigte. Die ersten Untersuchungsergebnisse über den Tod der zehn Passagiere sind heute veröffentlicht worden, und das war verständlicherweise das Letzte, was Sie lesen wollten, nachdem Sie Ihre Frau gerade zum Bahnhof gebracht hatten.«
    »Der Bericht hat mich tatsächlich an ihre Reise erinnert«, musste ich zugeben. »Aber die Krankheit des Jungen?«
    »Von der Zeitung glitten Ihre Augen zu der Stelle neben dem Schreibtisch hin, wo Sie früher immer Ihre Arzttasche abgestellt haben, und Sie haben gelächelt. Da war ich mir sicher, dass die Reise Ihrer Frau mit einer Erkrankung zu tun haben musste.«
    »Das sind doch alles Spekulationen, Holmes«, sagte ich. »Zum Beispiel nennen Sie Holborn Viaduct. Es hätte doch auch jeder andere Bahnhof in London sein können.«
    »Sie wissen, dass ich Spekulationen verabscheue. Es ist zwar manchmal nötig, verschiedene Indizien mit Hilfe der Vorstellungskraft zu verknüpfen, aber das ist etwas völlig anderes. Mrs. Forrester wohnt in Camberwell, und die London Chatham & Dover Railway fährt regelmäßig in Holborn Viaduct ab. Ich hätte deshalb diesen Bahnhof auch dann als logischen Ausgangspunkt angesetzt, wenn Sie mir mit Ihrem Koffer, den Sie an der Tür abgestellt haben, keinen entscheidenden Hinweis gegeben hätten. Von meinem Sessel aus kann ich aber sehr deutlich den Anhänger von der Gepäckaufbewahrung in Holborn Viaduct sehen, der am Handgriff befestigt ist.«
    »Aha. Und der Rest?«
    »Die Tatsache, dass Sie Ihr Dienstmädchen eingebüßt und Ihr Haus in großer Eile verlassen haben? Die Spuren von schwarzer Schuhwichse an Ihrer Manschette sind ein klarer Beweis für diese Punkte. Sie haben sich selbst die Schuhe geputzt und waren dabei etwas sorglos. Obendrein haben Sie in der Eile Ihre Handschuhe vergessen –«
    »Mrs. Hudson hat mir den Mantel abgenommen. Sie hätte auch meine Handschuhe nehmen können.«
    »Wenn sie das getan hätte, warum sind dann Ihre Finger
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