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Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)

Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)

Titel: Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)
Autoren: Daniela Herbst
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Vergangenheit, dann schlägt er einen Haken und verteidigt seine Existenz ... Lassen Sie mich diesen scheinbaren Widerspruch auflösen: Ich liebe, was ich bin, und hasse, was mich dazu gemacht hat.
    Der sogenannte Vampirkuss hat nämlich herzlich wenig mit dem erotischen Akt gemein, den ihr Menschen euch in eurer von billigen Schauerromanen und Hollywoodfilmchen verkorksten Fantasie vielleicht ausmalt. Und da sich sonst niemand bemüßigt fühlt, euch aufzuklären, werde ich das eben übernehmen müssen.
     
    Anfangen möchte ich allerdings zunächst mit meiner Herkunft. Nicht weil sie viel interessanter wäre als meine Verwandlung. Meine Existenz als Normalsterblicher gibt wohl kaum Anlass, sich ihrer zu rühmen. Ich will nur nicht direkt mit einem Paukenschlag einsteigen - und vertrauen Sie mir, den dürften Sie unangenehm in der Magengrube spüren. Außerdem sollen Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Wenn ich Ihnen schon Ihre Illusionen raube, dann mit einem gewissen Maß an Anstand und Höflichkeit.
    Mein Name ist Lennard Steevens. Ich bin dreihundertachtzig Jahre alt, zweitältester Sohn von Agnes und Jonne Steevens, Sternzeichen Löwe, geboren und aufgewachsen in einem kleinen, schäbigen Vorort von Hamburg.
    Heute würde man die Gegend vermutlich als malerisch bezeichnen. Damals wirkte sie eher wie das unansehnliche Rektum Deutschlands. Zur Verdeutlichung: Rufen Sie sich die verkommenste Ecke ihres Stadtviertels vor Augen. Ersetzen Sie den Straßenbelag durch morastigen Boden und fügen Sie den ein oder anderen Müllhaufen ein; und voilà, Sie haben eine Vorstellung von meinem Zuhause.
    Ein Schweinepfuhl vor dem Herrn!
    Gewohnt haben wir in einem bescheidenen, hausähnlichen Gebäude, das aus mehr Löchern und Ritzen denn aus Wänden bestand und kaum genug Platz für uns alle bot. Es besaß zwei Stockwerke, die eine wurmstichige Leiter miteinander verband; und ständig lief man Gefahr, dass eine der Sprossen den Geist aufgab und man sich beim Sturz das Genick brach. Deshalb wohnten wir Kinder oben.
    Die Einrichtung gestaltete sich - diplomatisch ausgedrückt - spärlich. In der oberen Etage beschränkte sie sich auf Matrazenattrappen (mit Stroh gefüllte Stofffetzen) und Kisten. In der Unteren zierten neben dem elterlichen Ehelager nur einige Bänke, ein wackeliger Tisch und ein gusseiserner Ofen das schlichte Interieur. Letzterer diente zum Aufwärmen fast erfrorener Hände und dem, was Agnes Steevens lapidar Kochen nannte.
    Wollten wir unsere Notdurft verrichten, mussten wir links am Haus vorbeigehen, ein Türchen öffnen, etwa fünfzig Schritte in Richtung Süden laufen und uns mit einem Eimer zwischen die Büsche kauern. Anschließend hieß es, sich den Pott zu schnappen und den Inhalt an einem geeigneten Plätzchen blick- und geruchsdicht zu vergraben.
    Sie fragen sich jetzt bestimmt, warum man vorher nach Süden marschieren sollte, wenn man den Eimer am Ende sowieso wieder woanders hinschleppte. Tja, das hatte nostalgische Gründe. An genau jener Stelle zwischen den Büschen stand einst unser Toilettenhäuschen - bevor die letzte Überschwemmung es mit sich gerissen und lediglich ein kleines Stück nackte Erde zurückgelassen hatte. Und da sich nach meines Vaters Meinung eine solche Katastrophe jederzeit wiederholen konnte ... Ich schätze, Sie verstehen.
    Wirklich wohnlich gestaltete sich diese meine Unterkunft also nicht. Im Winter fror man erbärmlich. Bei Regen tropfte es durch das Dach. Im Herbst blies der Wind in jede Ritze und im Sommer stank die gesamte Umgebung nach altem Fisch, verfaultem Gemüse und Mist. Zudem ist es wahrlich kein Vergnügen bei Minustemperaturen auf einem Blecheimer zu sitzen und Eiswürfel aus seinem Darm zu quetschen - das können Sie mir glauben.
     
    Um die Sache abzukürzen: Unsere Familie gehörte nicht unbedingt zur feineren Gesellschaft dieses Landes. Meine Eltern verdingten sich als einfache Bauern, die ihren Tag damit zubrachten, anderer Leute Felder für einen Hungerlohn zu bestellen. Wobei die Arbeit nicht allzu anstrengend gewesen sein kann; bedenkt man, dass Agnes und Jonne Steevens noch genug Kraft besessen hatten, insgesamt neun Bälgern das Leben zu schenken … Entweder das oder sie züchteten systematisch neue Hilfskräfte heran. Wer weiß?
    Wie man es auch bezeichnen will, wir waren eine kinderreiche Familie.
    Zwei meiner Geschwister starben allerdings aufgrund der schlechten Verpflegung bevor sie ihr zehntes Lebensjahr erreichten. Und die Übrigen -
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