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Zum Sterben schoen

Zum Sterben schoen

Titel: Zum Sterben schoen
Autoren: Julie Garwood
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San Francisco eine Zwischenstation einzulegen. Nick wollte den Stark-Fall nicht diskutieren – er hatte sich vor über einem Monat ereignet, und am liebsten hätte er nicht einmal daran gedacht, aber das zählte nicht. Er wusste, dass er darüber reden musste, ob er wollte oder nicht.
    Er wartete im Regionalbüro auf seinen Vorgesetzten, dann setzte er sich ihm gegenüber an den polierten Konferenztisch aus Eiche und hörte zwanzig Minuten zu, während Morganstern einige Einzelheiten des bizarren Falls Revue passieren ließ. Nick blieb ruhig, bis Morganstern ihm mitteilte, dass er eine Belobigung für seinen heroischen Einsatz erhalten werde. Da verlor er beinahe die Beherrschung, aber er war ein Meister darin, seine wahren Gefühle zu verbergen. Selbst sein Boss, der stets ein waches Auge aufhielt nach verräterischen Zeichen eines Burnout- oder Stress-Syndroms, ließ sich täuschen und glaubte, er werde wieder einmal gut mit allem fertig – zumindest dachte Nick das.
    Als die Besprechung zu Ende ging, starrte Morganstern eine lange, schweigende Minute in die stahlblauen Augen seines Agenten und fragte ihn dann: »Was empfanden Sie, als Sie sie erschossen?«
    »Ist das nötig, Sir? Das passierte vor über einem Monat. Müssen wir das wirklich noch einmal aufwärmen?«
    »Das ist keine offizielle Konferenz, Nick. Nur Sie und ich sind hier. Sie müssen mich nicht Sir nennen, und ja, ich finde es notwendig. Jetzt antworten Sie mir bitte. Was empfanden Sie?«
    Er wand sich auf seinem Stuhl wie ein kleiner Junge, der gezwungen wird, eine Missetat zu gestehen. »Was zum Teufel meinen Sie mit ›Was empfand ich‹?«
    Sein Vorgesetzter ignorierte diesen Wutausbruch einfach und wiederholte die Frage ruhig zum dritten Mal. »Sie wissen, was ich Sie frage? Was empfanden Sie genau in jener Sekunde? Erinnern Sie sich?«
    Er bot ihm einen Ausweg. Nick wusste, dass er lügen und sagen konnte, nein, er erinnere sich nicht, dass er in jenem Augenblick zu beschäftigt gewesen sei, um darüber nachzudenken, was er fühlte. Aber er und Morganstern waren stets aufrichtig zueinander gewesen, und das wollte er jetzt nicht aufs Spiel setzen. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass sein Boss merken würde, wenn er log. Als er erkannte, wie vergeblich es war, weiter auszuweichen, gab er auf und entschloss sich, unverblümt mit der Wahrheit herauszurücken. »Ja, ich erinnere mich. Es war ein gutes Gefühl«, flüsterte er. »Ein wirklich gutes Gefühl. Zum Teufel, Pete, ich befand mich in einer Euphorie. Wenn ich mich nicht umgedreht hätte und zurück ins Haus gegangen wäre, wenn ich auch nur dreißig Sekunden länger gezögert hätte, und wenn ich meine Waffe nicht gezogen hätte, wäre alles vorbei gewesen und dieser kleine Junge wäre tot gewesen. Diesmal stand es zu sehr auf des Messers Schneide.«
    »Aber Sie sind rechtzeitig zu dem Kind gekommen.«
    »Ich hätte es früher kapieren müssen.«
    Morganstern seufzte. Von all seinen Agenten war Nick stets der selbstkritischste gewesen. »Sie waren der Einzige, der es kapiert hat«, erinnerte er ihn. »Seien Sie nicht so hart mit sich selbst.«
    »Haben Sie die Zeitungen gelesen? Die Reporter schrieben, sie sei verrückt gewesen, aber sie hatten nicht diesen Ausdruck in ihren Augen gesehen. Ich schon, und ich sage Ihnen, sie war überhaupt nicht verrückt. Sie war abgrundtief böse.«
    »Ja, ich habe die Zeitungen gelesen; Sie haben Recht, sie bezeichneten sie als verrückt. Das hatte ich erwartet«, fügte er hinzu. »Ich verstehe auch warum, und das tun Sie, glaube ich, auch. Das ist die einzige Möglichkeit, wie die Öffentlichkeit sich ein so abscheuliches Verbrechen erklären kann. Sie will glauben, dass nur ein geisteskranker Mensch einem anderen Menschen solch obszöne Dinge antun kann und dass nur ein Verrückter Vergnügen am Töten Unschuldiger haben kann. Eine Menge von ihnen sind verrückt, aber manche auch nicht. Es gibt das Böse. Wir haben es beide gesehen. Irgendwann traf diese Stark die bewusste Entscheidung, die Linie zu überschreiten.«
    »Die Menschen haben Angst vor dem, was sie nicht verstehen.«
    »Ja«, stimmte Morganstern ihm zu. »Es gibt aber auch einen großen Prozentsatz von Akademikern, die nicht glauben wollen, dass das Böse existiert. Wenn sie mit ihrem beschränkten Verstand etwas nicht begründen oder erklären können, dann kann es einfach nicht sein. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum unsere Kultur solch einen fruchtbaren Boden für
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