Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Sterben schoen

Zum Sterben schoen

Titel: Zum Sterben schoen
Autoren: Julie Garwood
Vom Netzwerk:
dicke Bifokalbrille rutschte ihm ständig von der schmalen Nase. Er trug immer einen konservativen schwarzen oder marineblauen Anzug mit einem langärmeligen, weißen gestärkten Hemd und einer gedeckten Streifenkrawatte. Auf einen oberflächlichen Beobachter wirkte Morganstern wie ein vertrottelter Universitätsprofessor, aber für die Agenten, die seiner Aufsicht unterstanden, war er in jeder Hinsicht ein Riese, der seinen üblen Job mit ruhiger Gelassenheit erledigte und dem grauenhaften Druck unerschüttert standhielt.
    »In einem Monat sehen wir uns wieder, Nick, aber keinen Tag früher. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    Sein Vorgesetzter ging zur Tür, hielt dann aber inne. »Wird Ihnen immer noch jedes Mal übel, wenn Sie ein Flugzeug besteigen?«
    »Gibt es irgendetwas, das Sie nicht über mich wissen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Tatsächlich? Wann wurde ich das letzte Mal flachgelegt?«
    Morganstern tat so, als schockierte ihn die Frage. »Das ist schon eine ganze Weile her, Agent. Offensichtlich haben Sie gerade eine Durststrecke.«
    Nick lachte. »Stimmt das?«
    »Bald werden Sie die richtige Frau kennen lernen, Gott steh ihr bei.«
    »Ich suche nicht nach der richtigen Frau.«
    Morganstern lächelte väterlich. »Das ist genau die richtige Voraussetzung, um sie zu finden. Sie suchen nicht nach ihr, und sie erwischt Sie völlig unerwartet, so wie meine Katie mich erwischt hat. Mir blieb keine Chance, und ich sage Ihnen vorher, dass es Ihnen ebenso ergehen wird. Sie ist irgendwo dort draußen und wartet nur auf Sie.«
    »Dann wird sie verdammt lange warten müssen«, erwiderte er. »In unserem Metier ist eine Ehe ausgeschlossen.«
    »Katie und ich schaffen es seit über zwanzig Jahren.«
    »Katie ist eine Heilige.«
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Stimmt es?«
    »Dass mir jedes Mal schlecht wird, wenn ich ein Flugzeug besteige? Ja, zum Teufel.«
    Morganstern gluckste in sich hinein. »Dann viel Glück auf dem Heimweg.«
    »Wissen Sie, Pete, die meisten Psychiater würden versuchen, meiner Phobie auf den Grund zu gehen, aber Ihnen macht das Spaß, nicht?«
    Er griente breit. »Bis in einem Monat«, wiederholte er, während er aus dem Büro schlenderte.
    Nick raffte seine Akten zusammen, erledigte ein paar notwendige Anrufe bei seinem Büro in Boston und bei Frank Leary in Quantico, dann ließ er sich von einem der örtlichen Beamten zum Flughafen bringen. Da es kein Entrinnen von diesem Zwangsurlaub gab, schmiedete er zögerlich einige Pläne. Er wollte wirklich versuchen, kürzer zu treten’ und sich zu entspannen, vielleicht mit seinem ältesten Bruder Theo segeln gehen, wenn er ihn für einige Tage von seinem Job loseisen konnte, und dann würde er quer durch das Land bis nach Holy Oaks fahren, um seinen besten Freund Tommy zu besuchen und ernsthaft mit ihm fischen zu gehen. Morganstern hatte die Beförderung, die O’Leary ihm vor zwei Wochen auf den Tisch geworfen hatte, nicht erwähnt. Nick plante, in den Ferien die Vor- und Nachteile des neuen Jobs abzuwägen. Er zählte darauf, dass Tommy ihm bei der Entscheidung helfen würde. Er stand ihm näher als seine eigenen fünf Brüder, und ihm vertraute er bedingungslos. Sein Freund würde wie gewohnt die Rolle des Advocatus Diaboli spielen, und wenn Nick an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, würde er hoffentlich wissen, was er tun wollte.
    Er wusste, dass Tommy sich Sorgen um ihn machte. Seit sechs Monaten quengelte er per E-Mail, dass er kommen und ihn besuchen sollte. Genau wie Morganstern verstand er, welchen Belastungen und Albträumen Nick in seinem Beruf ausgesetzt war, und auch er war der Ansicht, dass Nick Zeit zum Ausspannen brauchte.
    Tommy focht selbst auch einen Kampf: Alle drei Monate, wenn er im Kansas Medical Center bestimmten Tests unterzogen wurde, hatte Nick ein mulmiges Gefühl in der Magengrube, bis Tommy ihm eine E-Mail mit guten Nachrichten schickte. Bis jetzt hatte sein Freund Glück gehabt. Der Krebs hatte eingedämmt werden können. Aber er lag ständig auf der Lauer, bereit zuzuschlagen. Tommy hatte es gelernt, mit seiner Krankheit fertig zu werden. Nick nicht. Wenn er seinem Freund die Schmerzen und das Leiden hätte abnehmen können, hätte er bereitwillig dafür seinen rechten Arm geopfert, aber so funktionierte das nicht. Wie Tommy gesagt hatte, war das ein Krieg, den er alleine bestehen musste, und alles, was Nick tun konnte, war, da zu sein, wenn er ihn brauchte.
    Plötzlich war Nick begierig darauf,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher