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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ritter. »Das ist verflucht knapp! Mit den Fahnen, den Ehrenkompanien, den Kapellen quer durch die Stadt … um die Mittagszeit … das gibt eine Hetze!«
    Und so wurde es auch.
    Auf dem Nordfriedhof ging es noch gut durchorganisiert ab: Omnibusse brachten die Ehrenabordnungen heran, die Salutschießer des BdD und des Schützenvereins, die Fahnen und die Ehrengäste. Vierzehn Omnibusse hatte Ritter im Namen des BdD gemietet, hinzu kamen genau neunundsechzig Privatwagen, die vor dem Friedhof auffuhren und ausgerichtet wurden durch vier Ordner mit – es war ja ein Trauerfall – schwarzen Armbinden. Sie hatten große Mühe mit den Wagen der Industrie, denn die Herrschaftschauffeure hatten ihren eigenen Kopf und weigerten sich, Befehle von unbekannten Windpissern – wie sich einer unfein ausdrückte – entgegenzunehmen. So gab es schon vor der großen Trauerfeier Krach und fast eine Schlägerei auf dem Parkplatz.
    Aber sonst war es ein würdiges Trauerfest.
    Im Gegensatz zu dem Musikliebhaber Erlanger, für den man in der großen Kapelle Wagner spielte, bekam Schreibert, ein sonst unmusikalischer Mensch trotz seines Modeateliers, einen Abgesang mit zwei Kirchenliedern. Dafür sprach Major Ritter besonders bewegende Kameradenworte, und auch General v. Rendshoff gedachte des Toten in markigen Worten und blieb eine Minute lang in stummem Gruß vor dem schweren, dunklen Eichensarg stehen.
    Später, am offenen, mit Tannengrün ausgelegten Grab, ertönte wieder das Lied vom Guten Kameraden, senkten sich die Fahnen, schossen die beiden Abordnungen in knirschender Schußgemeinschaft den letzten Salut, wobei wieder – wie bei Erlanger – jemand nachschoß und nicht festzustellen war, ob es einer vom BUND DEUTSCHER DIVISIONEN oder von der Schützengilde gewesen war, sang der Gesangverein und sprachen die Vertreter aller Vereine gutgemeinte Worte … der Tennisklub, der Reiterverein, der Golfklub, der Segel- und Jacht-Verband, der Motorklub, der Verband deutscher Modeschöpfer, eine rothaarige Delegierte der Mannequin-Vereinigung (sie trug ein so enges Kleid, daß sie sich kaum über die Grube bücken konnte, man sah plastisch ihre Hinterbacken, was die Feierlichkeit etwas störte, denn die Mehrzahl der Trauergäste waren ja Männer) und am Ende eine unbekannte, junge hübsche Frau, die mit einem kleinen, dreijährigen Mädchen an das Grab trat und haltlos weinte.
    So erfuhr man erst jetzt, daß Hermann Schreibert Vater eines außerehelichen Kindes war …
    Die weiblichen Trauernden schluchzten auf.
    Ich hatt' einen Kameraden …
    Major Ritter stand ungeduldig neben dem Grab und sah ab und zu auf die Uhr in seiner Hand.
    Wie die Minuten wegrennen! Wie lange so eine Rede dauert!
    Um 12 Uhr ist Boltenstern dran!
    Der letzte Redner! Die letzte Blume auf den Sargdeckel.
    Allerhöchste Zeit!
    »Kameraden! In die Wagen!« kommandierte Konrad Ritter.
    Ein Heerwurm schwarzer Gestalten wälzte sich zum Ausgang. Die ersten Omnibusse fuhren schon ab, als die letzten noch durch das Friedhofstor eilten.
    »Wir kommen zu spät!« sagte Konrad Ritter. »Unmöglich ist das! Gerade bei Boltenstern, dem Muster an Pünktlichkeit, muß das passieren! Los, in die Wagen und ab wie die Feuerwehr!«
    An diesem Donnerstagmittag erlebte Düsseldorf die Durchfahrt von vierzehn Omnibussen und 69 Privatwagen durch die Innenstadt. Eine rasende, brausende, hupende, heulende, lebensgefährliche Durchquerung, die Alarm im Polizeipräsidium auslöste.
    Die Polizisten an den Kreuzungen standen erstarrt, als die Armada der wilden Omnibusse heranbrauste, mit offenen Schiebedächern, aus denen die Fahnen herausragten. Das war aber auch das einzig Fröhliche an diesem wilden Zug … in den Bussen und den nachfolgenden Privatwagen saßen ernste, schwarzgekleidete oder in Galauniform gehüllte Männer und Frauen und blickten starr geradeaus.
    Major a.D. Konrad Ritter überholte mit einem schnellen Sportwagen, der dem Sohn eines Fabrikdirektors gehörte, die lange Kolonne der Trauernden und setzte sich an die Spitze. Noch immer sah er auf seine Uhr und schabte die Schuhsohlen nervös aneinander.
    »Wir kommen zu spät! Blamabel ist das!« jammerte er. »Ein deutscher Soldat ist nie eine Minute zu spät da … und wir haben schon fünf Minuten über die Zeit!«
    Hupend und quietschend langte die Kolonne auf dem großen Parkplatz vor dem Südfriedhof an. Exakt, wie auf dem Papier genau eingezeichnet, fuhren die Wagen auf … die Omnibusse nebeneinander in einer Reihe,
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