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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Feuerwehrmänner, die Schreibert vom Strick schnitten. Dr. Breuninghaus, nach einem Glas Bier gestärkt, beugte sich neben Ritter zu Boden. Deutlich waren zwei unterschiedliche Schuhgrößen zu sehen … einer der Männer trug eine längsgerillte Sohle.
    »Wie viele Leute sind im Laufe der letzten halben Stunde hier herumgelaufen!« sagte Dr. Breuninghaus steif. Er witterte wieder Unannehmlichkeiten. Die Geschäftigkeit des jungen Ritter war ihm lästig. Nie lag ein Selbstmord klarer als dieser! Ein Gesichtsloser zerbricht an seiner tragischen Last! Wenn das kein hundertprozentiges Motiv ist! Aber so sind die jungen Leute … alle verhinderte Filmdetektive! In einem zerbeulten Mülleimer sehen sie eine gelandete Weltraumkapsel!
    Werner Ritter legte sein Taschenbuch vorsichtig ausgebreitet über die Sohlenabdrücke. Dr. Breuninghaus sah es mit Mißfallen.
    »Ritter!« sagte er steif, ehe dieser etwas sagen konnte. »Man sollte von Amts wegen allen jungen Kriminalisten verbieten, Kriminalromane zu lesen und Hitchcock-Filme zu sehen. Sie verbilden nur und führen von der Realität weg! Was soll das alles?«
    Werner Ritter richtete sich auf. Seine Knie zitterten etwas von der langen Hockstellung. »Herr Oberstaatsanwalt«, sagte er mit einer betonten Deutlichkeit, »der Abdruck von zwei verschiedenen Schuhen beweist, daß Schreibert nicht allein war!«
    »Natürlich nicht. Boltenstern war bei ihm. Er hat ihm sogar ein Bier gebracht! Das wissen Sie doch!«
    »Und Schreibert lebte noch, als Boltenstern wieder ins Zelt kam?«
    »Natürlich!« Dr. Breuninghaus zog das Kinn an. »Hören Sie mal, Ritter! Ihre Fragestellung ist impertinent. Jawohl, das ist sie! Sie klingt so, als trauten Sie meinem Freund und Kriegskameraden Boltenstern zu, seinen Freund Schreibert aufgeknüpft zu haben! Das ist absoluter Blödsinn! Das ist eine Frechheit, wenn Sie wirklich so etwas denken sollten! Ihnen fehlt der Geist der Kameradschaft, der uns alte Soldaten beseelt, sonst würden Sie die Sinnlosigkeit solcher Gedanken einsehen. Was sage ich … solche Gedanken kämen gar nicht auf! Ich habe Boltenstern mehr im Zelt als draußen gesehen! Wenn Sie das überzeugt, Herr Ritter!«
    Das ›Herr‹ war dahergeschnarrt wie in guten alten Kasernenhofzeiten. Es rasselte gegen das Ohr und verlangte Eingang zum Herzen. Aber Werner Ritter war in dieser Situation nicht gewillt, nachzugeben. Auch er war die ganz Zeit über im Zelt gewesen, an der Biertheke, von der aus man die Ehrenempore gut sehen konnte. Er hatte Boltenstern nur ganz kurz vor Petra Erlanger und General v. Rendshoff stehen sehen, und als er sich herumdrehte, um ein neues Bier zu verlangen, war Boltenstern schon wieder weg.
    »Ich werde die Leiche sofort obduzieren lassen!« sagte Ritter ruhig. »Darf ich Ihnen, Herr Oberstaatsanwalt, schon jetzt sagen, was man feststellen wird?«
    »Tod durch Genickbruch, natürlich.«
    »Und Vorhandensein von LSD im Körper!«
    Dr. Breuninghaus wurde es heiß unter der Hirnschale. Er sah an Ritter vorbei und wünschte sich, zu diesem Treffen nicht gekommen zu sein. Er wollte ja auch gar nicht kommen, seine Frau hatte ihn schon fast überredet, diesen schönen Sonntag, dieses lange Wochenende, nicht auf einer staubigen Wiese bei Nürnberg, sondern an der Nordsee, auf Norderney, in würziger Salzluft und bei rauschendem Meer zu verbringen. Schon halb hatte er zugesagt, als der Anruf des Majors Ritter aus Nürnberg kam, die jungen Beamten des Ordnungsamtes machten dämliche Schwierigkeiten und stellten sich stur gegen das Traditionsbewußtsein alter Soldaten.
    »Ich muß nach Nürnberg!« hatte da Dr. Breuninghaus geschrien und auf den Tisch geschlagen. »Diese Degeneration unserer Jugend! An die See können wir noch immer … aber diese Gelegenheit, den jungen Schlipsen zu zeigen, was Deutschtum ist, gibt es nur selten! Ich fahre nach Nürnberg! Mit dem ganzen Gewicht meines Amtes werde ich …«
    Nun war er hier, stand hinter dem Bierzelt, in dem zweitausend nicht mehr nüchterne alte Soldaten von der »Looore – Looore – Loooore –« sangen, und das ganze Gewicht seines Amtes warf er nicht unwilligen, sturen Beamten entgegen, sondern der Auffassung, der Tod des Kameraden Schreibert sei etwas anderes als eine menschliche Tragödie.
    Welch eine Verschiebung der Aspekte!
    »Sie mit Ihrem LSD!« sagte er abwertend und lächelte milde wie bei dem kindlichen Gestammel eines Geisteskranken. »Wenn es nach Ihnen ginge, müßten jetzt alle Festteilnehmer
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