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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehörte. Wer nach Passieren des hohen Schmiedeeisentores und einer ungepflegten Auffahrt zwischen wilden Büschen von Holunder, Rotdorn und Jasmin plötzlich vor der Villa stand, war überwältigt. Ein langgestreckter Bau aus Glas und Travertin-Marmor empfing ihn, und wenn man eintrat, umgab den Besucher eine Halle, die überging in einen riesigen Wohnraum, dessen Glaswand wiederum zu einem Atrium führte, in dem exotische Pflanzen in tropisch temperierten Glashäusern blühten.
    Ein Kamin beherrschte den riesigen Raum, und es war jedesmal ein fast theatralisches Erlebnis, wenn Huilsmann bei einer Gesellschaft die Lampen ausdrehte, auf einen Knopf drückte und die Decke aufflammte mit Hunderten von kleinen Sternen … die Unendlichkeit des Firmaments in einem Wohnraum.
    »So etwas wirkt!« sagte Huilsmann einmal, als seine Freunde ihn einen Spinner nannten. »Ein Architekt, der Traumvillen bauen soll, muß diese Träume erst einmal selbst vorweisen. Das hier ist meine Visitenkarte. Wer hier gesessen hat und in meinen Sternenhimmel blickte, der achtet nicht mehr auf die Zahl, die er auf den Scheck schreibt. Und darauf kommt es an …«
    »Alles in Ordnung?« fragte Huilsmann das Hausmädchen, das hinter ihm her trippelte. »Was ist im Eisschrank?«
    »Kalte Hühnerbrüste, Fasanenschlegel, Krebsschwanzsalat, Wildpastete, Waldorf-Salat, geräucherte Forellenfilets …«
    »Bestens, mein Kleines!« Huilsmann kniff das Mädchen in die Wange und sah sich in dem riesigen Zimmer noch einmal um.
    Die Ledersessel waren bis auf einige weggetragen. Auf den Orientteppichen standen afrikanische Sitzkissen, davor kleine Lacktischchen mit indischen Kerzenhaltern. Neben dem Kamin glitzerten geschliffene Kristallflaschen mit Whisky, Kognak, Likören und fertigen Cocktails auf einem langen niedrigen Tisch mit einer Platte aus angeschliffenen Halbedelsteinen.
    »Sehr gut«, sagte Huilsmann noch einmal. »Und nun können Sie gehen, Else. Montag morgen um neun Uhr. Früher brauchen Sie nicht hier zu sein. Wo wollten Sie noch einmal hin?«
    »Zu meiner Tante nach Neuß.« Das Hausmädchen Else sah Huilsmann verliebt an. Ein halbes Jahr war sie jetzt in diesem Märchenhaus, und bis auf ein anerkennendes Kneifen in die Wange hatte Huilsmann einen kühlen Abstand gewahrt. Er übersah die engen Pullover Elses, die schillernden Äuglein, den wiegenden Gang, die über die Marmorböden klappernden Beinchen, das rotgeschminkte Mündchen mit dem auffordernden Lächeln. »Aber wenn Sie mich brauchen, Herr Huilsmann –«, sagte Else gedehnt.
    »Nein! Ich brauche Sie nicht.« Huilsmann ging zum Kamin und legte noch ein Scheit Buchenholz in das klein glimmernde Feuer. »Gute Fahrt und viel Vergnügen!«
    Huilsmann setzte sich in einen der übriggebliebenen Ledersessel, steckte sich eine Zigarette an und sah auf die Uhr.
    19.12 Uhr.
    Düsseldorf, am 21. Mai.
    Ein Freitag.
    Ein etwas unfreundlicher Tag, regnerisch, kühl und fast herbstgrau.
    Noch eine Stunde, dachte Huilsmann, dann sieht es hier anders aus. Dann sitzen wir auf den orientalischen Kissen, und um uns herum hüpfen die Mädchen. Und um Mitternacht, wenn ich meinen privaten Himmel anstelle … Sprechen wir nicht darüber! Wenn der Richard bloß nicht immer so moralisch tun würde!
    Toni Huilsmann lehnte den Kopf weit zurück und schloß die Augen.
    »Warum eigentlich immer freitags?« fragte Jutta und knotete ihrem Vater den Schlipsknoten. »Mir fällt das schon langsam auf, Paps.«
    Alf Boltenstern lachte und küßte seine Tochter flüchtig auf die Stirn. Er war ein mittelgroßer, eleganter, aber doch unauffälliger Mann mit melierten Haaren und weißen Schläfen. Sein Haus war ein moderner Bungalow bei Oberkassel am Rhein, ein normales, modernes Bauwerk, ohne den Luxus der Huilsmann-Villa. Das Haus eines gut verdienenden Bürgers: mit Parkettböden, einer mechanisierten Küche, Tiefkühltruhe und Gartenschaukel. Als freischaffender Ingenieur und Erfinder verdiente Boltenstern nur einen Bruchteil dessen, was seine anderen Freunde auf die Bankkonten legten. Zwei Patente hatte er auswerten können, automatische Meßinstrumente für die Höhenforschung, Patente, die ihm Richard Erlanger abgekauft hatte, um damit ein gutes Geschäft zu machen.
    Aber Boltenstern war zufrieden. Nachdem vor elf Jahren seine Frau an einer Gallenblasenoperation starb, war seine Tochter Jutta sein ganzer Lebensinhalt. Und um ihr zu zeigen, wie notwendig sie für ihn war, spielte er seit Jahren einen etwas
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