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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von der Biertheke weg in eine stille Ecke des Zeltes. Erst dort wurde er ernst. »Hast du es schon gehört? Onkel Hermann ist tot …«, sagte er leise.
    Jutta durchzog ein eisiger Schauer. »Nein …«, sagte sie mühsam. »Nein, Paps … Ich bin mit Werner während der Parade gekommen, und plötzlich war er weg. Was … was ist denn geschehen?«
    »Ein tragischer Fall, Schäfchen. Wir sind noch alle bis ins Tiefste erschüttert.« Boltenstern fuhr sich über seine Stirn. Jeder mußte ihm seine Ergriffenheit glauben. Er sah sich um und bemerkte Dr. Breuninghaus, der gerade wieder das Zelt betrat. Der ehemalige Stabsarzt begleitete ihn. »Dort kommt Breuninghaus«, sagte Boltenstern und stellte seinen Maßkrug auf einem wackeligen Tisch ab, den man zur Seite gestellt hatte. »Ich werde ihn schnell nach dem Neuesten fragen. Warte hier, Kleines … ich komme gleich wieder zurück.«
    Mit verschleierten Augen sah Jutta ihrem Vater nach. Er boxte sich durch die Menge der Angetrunkenen bis zu Dr. Breuninghaus durch; dann sah sie ihn eindringlich mit ihm sprechen.
    Jetzt! Nur jetzt geht es, dachte sie.
    Mein Gott, verzeih mir.
    Ich liebe ihn … er ist mein Vater … nur aus Liebe geschieht es …
    Sie stellte sich so, daß sie den Maßkrug mit ihrem Körper verdeckte, öffnete die Handtasche, holte die drei Stanniolpäckchen heraus, schälte die Löschpapierstreifen hervor und hing sie in den dreiviertelvollen Krug.
    300 Mikrogramm LSD. Eine Menge, die für drei volle ›Reisen‹ reicht. Drei Höllen auf einmal. Ob das Gehirn davon auseinandersprang …?
    Sie zählte langsam zehn Sekunden, ehe sie die Streifen wieder herausnahm. Dann zerknüllte sie das Löschpapier und steckte es zurück in ihre Handtasche.
    Ganz langsam drehte sie sich um.
    Boltenstern stand noch immer bei Dr. Breuninghaus. Werner Ritter war hinzugekommen und der Hauptmann der Feuerwehr.
    Leb wohl, Paps … dachte sie.
    Es ist besser so … für uns alle …
    Auf der Empore wurde noch getanzt. Ein langer Tisch schunkelte. Rheinländer, die auch in Nürnberg sich nicht von ihrem ›Kornblumenblau ist der Himmel am herrlichen Rheine‹ trennten. In einer anderen Ecke des Zeltes sang ein Männerchor aus Hamburg von der Waterkant.
    Leb wohl, Paps.
    Sie wandte sich ab und verließ durch einen kleinen Notausgang das Zelt. Verwundert sah sich Boltenstern um, als er zurück in die Ecke kam, nahm seinen Bierkrug und schob sich nach vorn zur Tribüne, wo noch immer Petra Erlanger mit dem General v. Rendshoff flirtete.
    »Zum Wohle!« rief Boltenstern und schwenkte seinen Krug. Petra winkte ihm zu. »Auf die schönste Frau, die ich kenne!«
    »Ich halte mit!« General v. Rendshoff erhob sich zackig. »Boltenstern! Auf die Frauen, die unser Leben verschönen! Ex!«
    »Ex, Herr General!«
    Boltenstern drückte den Krug gegen die Brust und setzte ihn dann an die Lippen. Sein Blick flog über den Krugrand zu Petra, ein Blick voll Stolz und Triumph, ein Blick, wie ihn Tiger haben, wenn ihr Gebrüll den Dschungel erzittern läßt.
    Dann trank er. Mit langen, durstigen Zügen.
    Hinter dem Zelt, zwischen den Rückwänden der Schießbuden, zwischen Fässern und aufgestapelten Bierkästen, suchte Werner Ritter, in der Hocke sitzend, den sandigen Boden ab. Vier Feuerwehrmänner sperrten noch immer den Zugang ab, einer stand Wache vor dem Lastwagen, in dem der Körper des armen Schreibert zwischen zwei Blöcken aus Kunsteis lag und auf den Sarg wartete. Der Zeltwirt hockte auf einem leeren Faß und wischte sich nervös mit einem schmutzigen Taschentuch über das Gesicht, obgleich er gar nicht schwitzte, sondern es ihm eher kalt ums Herz war.
    »Bloß keinen Skandal, Herr Kommissar!« sagte er heiser. »Wenn das bloß keiner erfährt! Gerade jetzt, wo's im Zelt so richtig läuft. Der nasse Sommer bisher … Mistgeschäft war's, schlechter als alle anderen Jahre … da hat man so ein gutes Geschäft nötig. Leben ja nur von der Saison … Glauben Sie, daß man den … den Toten unbemerkt wegschaffen kann? Daß keiner den Sarg sieht?«
    Werner Ritter überblickte zum wiederholten Male die Umgebung des Fasses, auf dem Schreibert gestanden haben mußte, ehe er es unter sich wegstieß … wie es Dr. Breuninghaus rekonstruierte. Das war eine Auffassung, die Ritter nicht teilte, und er sagte es jetzt auch.
    »Hier haben zwei Personen gestanden!« Er zeigte auf einige Sohlenabdrücke nahe der Zeltwand, einen Bodenstreifen, den niemand bisher betreten hatte, auch nicht die
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