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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Mein Gott, Jutta … sag es mir …«
    »Er hat LSD genommen …«, schrie sie gegen seine Brust.
    »Woher?«
    »Von mir!«
    »Wieviel?«
    »300 Mikrogramm!«
    »Gott steh uns bei!« Werner Ritter drückte die schreiende Jutta an sich. »Und … und … warum?«
    »Er hat Schreibert ermordet … und Erlanger auch …«
    Werner Ritter atmete tief auf. So löst man keine Probleme, dachte er, das ist eine Flucht … aber vielleicht ist es besser so. Es wird nie einen Prozeß geben, der Name Boltenstern wird nie auf ihr lasten, wir werden nach Monaten des Sichwiederfindens vielleicht glücklich werden und diese Alpträume der vergangenen Wochen vergessen können.
    Es waren die gleichen Gedanken, wie sie Jutta hatte. Es waren Gedanken von Liebenden, die ihr Glück erobern wollten in einer Welt, mit der sie nichts gemeinsam hatten als die Tatsache, daß sie in ihr lebten.
    Auf der Spitze der Achterbahn stand Boltenstern mit ausgebreiteten Armen, das Gesicht der Sonne zugewandt. So standen die Inka-Könige auf den Tempeltreppen, bevor sie an den Altar mit den Menschenopfern traten.
    »Verzeih mir, Vater …«, sagte Jutta leise. »Wenn du wüßtest, wie sehr ich dich liebe …«
    Sie preßte den Kopf an Ritters Brust und umschlang ihn.
    »Sag nichts …!« schrie sie dumpf. »Sag nichts … Ich will nichts hören …«
    Da preßte er seine Hände gegen ihre Ohren und starrte über ihren Kopf hinweg auf die Gestalt hoch oben auf der Achterbahn.
    Boltensterns Gesicht glänzte überirdisch. Es war, als sauge er die nahe Sonne in sich und lade sich mit ihren goldenen Strahlen auf. Er trat einen Schritt vor und bewegte die ausgebreiteten Arme wie die Schwingen von Flügeln.
    Von der Erde empor klang ein dumpfes Grollen.
    Dreitausend Menschen stöhnten auf.
    »Die Sprungtücher!« schrie der Brandmeister. »Die Sprungtücher!«
    Petra Erlanger wandte sich ab. Dr. Breuninghaus und Konrad Ritter stützten sie. In ihren Augen lag die schreckliche Ohnmacht, dies tatenlos mitansehen zu müssen.
    »Vielleicht doch mit einem Lasso …«, stotterte v. Rendshoff neben ihnen.
    Boltenstern sah hinüber zu den Schneebergen. Rosig überhaucht waren die Gipfel … und nun öffneten sich die Berge wie ein weites Tor, und dahinter lag ein violett glänzendes, unendliches Land, und eine Stimme über ihm sagte: »Das alles gehört dir … dir allein … dem Kaiser der Adler …«
    »Ich komme …«, rief Boltenstern glücklich. »Ich fliege zu euch, ihr unendlichen Berge …«
    In höchster Seligkeit stieß er sich ab, breitete die Arme weit aus und schwebte über das Land.
    Ein Adler! Ein Adler!
    Der Kaiser aller Adler –
    Auf der Erde schrien sie auf.
    Breuninghaus schloß die Augen, v. Rendshoff wandte sich ab, nur Major Ritter starrte empor zu dem fliegenden und fallenden Menschen, hatte die Hacken zusammengenommen und grüßte den Tod seines Kameraden und Freundes in strammer, stummer Haltung.
    Zwei Meter neben dem Sprungtuch II, zwischen zwei Streben, wo man nicht hinreichte, schlug Boltenstern auf.
    Mit dem Kopf zuerst. Die Hirnschale platzte wie eine Kastanienkapsel. Er war sofort tot, nicht einmal den Aufschlag spürte er. Und die Feuerwehrmänner deckten sofort das Sprungtuch über die verkrümmte Gestalt.
    In dem großen, leeren Festzelt verpaßte nur einer diese schrecklichen Minuten von der Seligkeit und dem Sterben eines ungewöhnlichen Menschen. Er lag unter einem Tisch, betrunken bis zur Besinnungslosigkeit, und schlief mit weit offenem Mund.
    Toni Huilsmann.
    Er wußte seit Stunden nicht mehr, was um ihn herum vorging.
    Sanitäter holten ihn später ab, fünf Minuten nach dem Abtransport von zwei Särgen, zwischen denen es kein Geheimnis mehr gab! …

18
    Ein Doppelbegräbnis ist eine Strafe Gottes – so wenigstens empfand es Konrad Ritter. Noch verteufelter aber ist es, wenn der eine auf dem Nord-, der andere auf dem Südfriedhof begraben wird.
    Drei Tage lang versuchte Konrad Ritter, diese Begräbnisse zu ›koordinieren‹. Es erwies sich als unmöglich, schon rein rechtlich. Schreibert hatte schon vor fünf Jahren eine Gruft auf dem Nordfriedhof gekauft … Boltenstern gar wurde neben seiner Frau beerdigt, für die er – und für sich und seine Tochter – eine riesige Grabstelle gekauft hatte. Nur die Zeiten konnte Ritter mit den Friedhofsverwaltungen und den Pfarrern abstimmen. Begräbnis Schreibert am Donnerstag um zehn Uhr vormittags … Begräbnis Boltenstern um zwölf Uhr mittags.
    »Das ist knapp!« stöhnte
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