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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
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nicht, sich zu verteidigen; vielleicht versuchte er nicht einmal zu lügen. Vielleicht war jetzt, da er zulassen mußte, daß andere sich seiner annahmen, und seine Hilflosigkeit wie ein Verhängnis über ihm hing, die beste Gelegenheit, etwas von ihm zu erfahren.
    »Und davon hast du gelebt – kreuz und quer über Land ziehen, auf Jahrmärkten Possen reißen, hin und wieder mit einigen Bällen jonglieren und für einen Teller Suppe singen?
    Das ist ein hartes Leben, bei dem man mehr Fußtritte als Kupfermünzen bekommt, würde ich sagen. Und das von Kindheit an?« Cadfael konnte sich nur zu gut vorstellen, wie eine Ausbildung aussah, mit der einem Kinde jene Spaße beigebracht wurden, die ein Jahrmarktspublikum sehen wollte.
    Es gab genug Methoden, einen Jungen zu bestrafen, ohne seine Gelenkigkeit zu beeinträchtigen. »Und jetzt arbeitest du allein? Die dich aus dem Graben geholt und einen Gaukler aus dir gemacht haben, sind ihrer Wege gegangen?«
    »Ich bin ihnen davongelaufen, sobald ich alt genug war, um mich allein durchzuschlagen«, sagte Liliwin mit leiser, müder Stimme. »Es waren drei fahrende Komödianten, und ich war für sie ein Geschenk des Himmels. Sie haben aus mir herausgeholt, was sie konnten – alles, was ich ihnen schuldete, waren Tritte und Schläge. Ich arbeite jetzt für mich selbst.«
    »Immer noch als Spaßmacher?«
    »Etwas anderes habe ich nie gelernt. Aber das kann ich gut«, sagte Liliwin und hob plötzlich stolz den Kopf. Er zuckte nicht zurück, als Cadfael die Salbe auf die Wunde an der Seite seines Kopfes auftrug.
    »Und deswegen bist du letzte Nacht auch in Walter Aurifabers Haus geholt worden«, sagte Cadfael sanft und schlug den Ärmel des Jungen zurück, so daß der magere, sehnige Unterarm, der eine lange, klaffende Messerwunde davongetragen hatte, entblößt war. »Du solltest sicher die Gäste auf der Hochzeit seines Sohnes unterhalten.«
    Liliwin warf ihm einen Blick zu. »Ihr kennt diese Leute?«
    »Es gibt nur wenige in dieser Stadt, die ich nicht kenne. Ich kümmere mich um viele Kranke in Shrewsbury, und die alte Mutter von Meister Aurifaber ist eine von ihnen. Ja, ich kenne die Familie. Ich hatte allerdings vergessen, daß der Goldschmied gestern seinen Sohn verheiratet hat.« Und wie er die Familie kannte, war ihr Wunsch, die Gäste zu beeindrucken, nicht so groß gewesen, daß sie so viel Geld ausgaben, wie nötig gewesen wäre, um die besseren Musikanten, die in den Häusern der Adligen aufspielten, zu bezahlen. Ein armer fahrender Spaßmacher aber, der in dieser nicht gerade vielversprechenden Stadt sein Glück suchte, mochte ihnen gerade recht gekommen sein. Um so mehr, wenn seine Künste besser waren, als sein Aussehen versprach, und gute Musik so billig zu haben war. »Du hast also von dem Fest gehört und bist dorthin gegangen, um die Gäste zu unterhalten. Und was geschah dann, daß diese fröhliche Feier so unschön endete?
    Gib mir noch ein Stück von dem Leintuch, Oswin, und leuchte mir mit der Kerze.«
    »Sie haben versprochen, mir drei Pennies für den Abend zu zahlen«, antwortete Liliwin und zitterte ebensosehr vor Empörung wie vor Furcht und Kälte. »Und dann haben sie mich betrogen. Es war nicht meine Schuld! Ich habe meine besten Lieder gesungen und all meine Kunststücke vorgeführt… Das Haus war voller Leute, sie drängten sich um mich, und die jungen Burschen waren betrunken und ausfallend und stießen mich an! Ein Jongleur braucht aber Platz! Es war nicht meine Schuld, daß der Krug zerbrach. Einer sprang nach einem meiner Bälle und stieß mich um, und der Krug fiel vom Tisch und zerbrach. Sie sagte, es wäre ihr bester gewesen, die alte Hexe. Sie schrie mich an und schlug mich mit ihrem Stock…«
    »Sie war das?« fragte Cadfael und strich leicht über den Verband an Liliwins Schläfe.
    »Ja, das war sie! Sie fuhr auf mich los wie der Teufel und schwor, das Ding sei mehr wert gewesen als ich an diesem Abend verdient hätte und ich müßte ihn bezahlen. Und als ich ihr widersprach, gab sie mir einen Penny und befahl den Gästen, mich hinauszuwerfen!«
    Dazu war sie imstande, dachte Cadfael traurig – sie, der es war, als werde ihr Herzblut vergossen, wenn etwas, das zu ihrem Haushalt gehörte, zerbrochen wurde. Sie, die jede noch so kleine Münze hortete, die sie nicht ihrer irregeleiteten Sorge um ihr Seelenheil opferte. Der unablässige Strom von Almosen, die sie dem Kloster übergab, hatte Prior Robert zu einer vorsichtigen
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