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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
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zusammensackte und zu Boden fiel.
    »Komm… setz dich lieber ins Chorgestühl.« Der Jüngling war so leicht wie ein Kind. Cadfael stützte ihn und wollte mit ihm um den Gemeindealtar herum in den Chor gehen, wo es weniger zugig war, aber die schmale Faust, die den Zipfel des Altartuchs die ganze Zeit umklammert hatte, wollte nicht loslassen. Der magere Körper zuckte in Cadfaels Armen.
    »Wenn ich loslasse, werden sie mich umbringen…«
    »Nicht solange ich noch Hände und eine Stimme habe«, versicherte ihm Cadfael. »Unser Abt hält seine Hand über dich, und heute nacht werden sie nichts mehr unternehmen. Laß das Tuch los und komm mit mir nach hinten. Glaub mir, dort sind Reliquien genug, und sogar heiligere als diese hier.«
    Widerstrebend ließen die schmutzigen Hände mit den schwarzen, abgebrochenen Fingernägeln das Altartuch los, und der blonde Kopf sank ergeben auf Cadfaels Schulter. Cadfael trug den Jüngling in den Chor und legte ihn in den nächsten und bequemsten Chorstuhl, der zufällig der Prior Roberts war.
    Diese unberechtigte Aneignung war dem jungen Mann durchaus nicht unangenehm. Eben noch hatte es ihn von Kopf bis Fuß heftig geschüttelt, aber nun ließ er sich mit einem tiefen Seufzer auf den Stuhl sinken und saß still.
    »Mit allen Hunden haben sie dich gehetzt«, murmelte Cadfael, als er ihn auf Prior Roberts Platz setzte, »aber wenigstens hast du dir den richtigen Zufluchtsort ausgesucht.
    Glaub nur nicht, daß Abt Radulfus dich ausliefern wird. Hier kannst du dich ausruhen, jedenfalls eine Zeitlang. Nur Mut! Und diese Männer sind nicht so schlecht, wie du denkst – sobald sie ihren Rausch ausgeschlafen haben, sind sie wieder vernünftig.
    Ich kenne sie.«
    »Sie wollten mich umbringen«, sagte der Junge und begann wieder zu zittern.
    Kein Zweifel, das hatten sie vorgehabt. Und sie hätten ihr Vorhaben ausgeführt, wenn er ihnen in die Hände gefallen wäre. Cadfael bemerkte, daß in der hohen Stimme Verwirrung, fassungsloses Entsetzen mitschwang. Der Junge war jetzt, da die Angst von ihm genommen war, vollkommen erschöpft, und es klang, als wisse er wirklich nicht, warum die aufgebrachte Menge ihn hatte aufhängen wollen. Ein Fuchs, der in aller Unschuld tat, was Füchse tun, mußte sich so fühlen, wenn ihm die Hunde auf der Spur waren.
    In diesem Augenblick kam Bruder Oswin zurück. In einem Beutel trug er eine bauchige Flasche Wein und einen Salbentopf, unter einen Arm hatte er ein zusammengefaltetes, sauberes Leintuch geklemmt, und in den Händen hielt er eine große Schüssel Wasser. Die Kerze mußte er auf eine Bank im Vorbau gestellt haben, denn dort flackerte ein kleines, schwaches Licht. Unvermittelt trat er herzu, atemlos und erhitzt, und die hellbraunen Locken um seine Tonsur standen von seinem Kopf ab wie eine Dornenhecke. Er stellte die Schüssel ab, legte das Leintuch bereit und beugte sich vor, um den Patienten zu stützen, während Cadfael ihn untersuchte.
    »Auch für kleine Dinge soll man dankbar sein – ich glaube, du hast nichts gebrochen. Sie haben dich geschlagen und mit Füßen getreten, und wahrscheinlich hast du überall Blutergüsse und Abschürfungen, aber die werden schnell verheilen. Beug deinen Kopf etwas hier herüber – so. Das war ein übler Hieb, hier auf der Schläfe und Wange. Das muß eine Keule gewesen sein. Jetzt nicht bewegen!«
    Gehorsam hielt der Junge still. Die Wunde zog sich vom linken Backenknochen bis zu einer Stelle über dem Ohr. Das hellblonde Haar war blutverkrustet. Als Cadfael die Wunde wusch und die verfilzten Locken zurückstrich, erschauerte die Haut bei der Berührung mit dem kalten Wasser. Langsam löste sich der Schorf aus Schmutz und getrocknetem Blut auf. Dies war nicht die letzte Wunde, die der Jüngling davongetragen hatte. Das angefeuchtete Leintuch, mit dem Cadfael über Stirn, Wangen und Kinn strich, legte ein schmales, junges, unschuldiges Gesicht frei.
    »Wie heißt du, mein Junge?« fragte Cadfael.
    »Liliwin«, antwortete der junge Mann, und in seinen Augen stand immer noch das Mißtrauen.
    »Das ist ein angelsächsischer Name. Nach deinen Augen und deiner Haarfarbe zu schließen, bist du Angelsachse. Wo bist du geboren? Nicht hier im Grenzland, nehme ich an.«
    »Wie soll ich das wissen?« antwortete der Jüngling gleichgültig.
    »In einem Straßengraben, und dort hat man mich liegengelassen. Meine früheste Erinnerung ist, daß ich lernte, Purzelbäume zu machen, kaum daß ich laufen konnte.«
    Er versuchte
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