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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
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Cadfael.
    »Kann man ihn allein lassen?« Sie dachten beide an die Meute, die der Abt eben erst aus der Kirche vertrieben hatte. Ihr Blutdurst war noch nicht gestillt – gewiß waren nicht alle Männer in die Stadt zurückgekehrt, und man mußte mit allem rechnen.
    Die Klosterbrüder hatten sich, angeführt von Prior Robert, der sich sehr aufrecht hielt und aus seinem Mißfallen kein Hehl machte, in ihre Zellen zurückgezogen. Im Chor war es dunkel und still geworden. Ob die Mönche, insbesondere die jüngeren und leichter zu beeindruckenden, Schlaf finden würden, war eine andere Frage. Die gefährliche Welt dort draußen war an sie herangetreten, und ein Schauer der Erregung überlief sie.
    »Ich werde noch eine Weile mit ihm zu tun haben«, sagte Cadfael und betrachtete das blutverschmierte Gesicht und das schmerzhafte Zucken der Glieder des jungen Mannes. »Wenn Ihr erlaubt, Ehrwürdiger Vater, werde ich bei ihm bleiben und mich um seine Wunden kümmern. Wenn ich Hilfe brauche, werde ich nach Euch schicken.«
    »Gut, Bruder. Nehmt Euch, was Ihr braucht.« Tagsüber war es mild gewesen, aber die Nacht würde kalt werden, besonders an diesem heiligen, aber kühlen Ort. »Braucht Ihr einen Gehilfen, der die Botengänge für Euch erledigt? Unser Gast sollte nicht alleingelassen werden.«
    »Es wäre gut, wenn Bruder Oswin mir zur Hand gehen dürfte.
    Er weiß, wo die Arzneien sind, die ich brauche«, sagte Cadfael.
    »Ich werde ihn zu Euch schicken. Und sollte dieser Mann den Wunsch verspüren, Euch seine Seite dieser unglückseligen Geschichte zu erzählen, so merkt gut auf. Zweifellos werden sich seine Ankläger morgen mit einem der Offiziere des Sheriffs hier einfinden, und dann werden beide Parteien schildern müssen, was vorgefallen ist.«
    Cadfael begriff, was der Abt meinte: Sollte sich in dem, was der Jüngling zu sagen hatte, zwischen Mittemacht und Morgen eine kleine Diskrepanz ergeben, so konnte das von großer Bedeutung sein. Aber bis zum Morgen würde sich die Erregung seiner Ankläger vielleicht etwas gelegt haben, und dann mochte ihre Geschichte etwas anders klingen. Cadfael, der die meisten Einwohner der Stadt kannte, war inzwischen eingefallen, warum sie Festkleidung trugen, so lange aufgeblieben waren und dem Wein mehr als sonst zugesprochen hatten: Jener vorlaute Bursche im Sonntagsstaat hätte eigentlich eher seine
     
    Braut zu Bett bringen sollen als diesen Hänfling mit »Mord« und »Raub« auf den Lippen über die Brücke zu jagen. Nur die Heirat seines Erben konnte Meister Aurifaber bewegen haben, seine Geldbörse aufzuknöpfen und seine Gäste reichlich mit Wein zu bewirten.
    »Ich werde die Wache Euch überlassen«, sagte Radulfus und ging, um Bruder Oswin aus seiner Zelle zu holen und zu Cadfael in die Kirche zu schicken. Die Bereitwilligkeit, mit der er kam, verriet, daß er gehofft hatte, mit diesem Auftrag bedacht zuwerden. Wer sonst sollte Cadfael bei seiner nächtlichen Arbeit zur Hand gehen, wenn nicht sein Gehilfe? Angesichts der Aussicht, die Nacht über aufbleiben und persönliche Bekanntschaft mit einem gefährlichen Schurken machen zu dürfen, betrat Bruder Oswin, aufgeregt wie ein schwänzender Schuljunge, mit großen Augen und unverhohlener Neugier die Kirche. Er beugte sich über den zitternden Fremden, hin und her gerissen zwischen der Faszination, einen Mörder von nahem zu sehen, und dem unerwarteten Mitleid, das er beim Anblick eines so bedauernswerten Menschen empfand, der doch eigentlich ein brutales Ungeheuer hätte sein sollen.
    Cadfael ließ ihm keine Zeit zum Staunen. »Ich brauche Wasser, reine Tücher, die Salbe aus Labkraut und Tausendgüldenkraut und einen Krug Wein. Los, beeil dich! Und zünde die Lampe im Gartenhaus an – es könnte sein, daß wir noch mehr brauchen.«
    Bruder Oswin nahm eine Kerze von einem Halter und machte sich so pflichteifrig auf den Weg, daß es ein Wunder war, daß die Kerzenflamme nicht erlosch, als er hinauseilte. Aber es ging kein Wind, und die Kerze flackerte und rußte nur wenig, als Oswin über den großen Innenhof zum Garten lief.
    »Und schür die Glut im Kohlenbecken!« rief Cadfael ihm nach, denn sein Schützling hatte begonnen mit den Zähnen zu klappern. Manch einer, der dem Tod ins Auge gesehen hatte, sank danach in sich zusammen wie eine angestochene Schweinsblase, und dieser hier hatte wohl kaum genug Saft und Kraft, einen solchen Schock auszuhalten. Cadfael konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er in sich
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