Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
Decken und wärme noch ein Maß gewürzten Wein auf dem Ofen im Schuppen. Wir müssen sehen, daß wir ihn warm bekommen.«
    Oswin, der, ohne den Fremden aus den Augen zu lassen, mit bewundernswerter Selbstbeherrschung geschwiegen hatte, beeilte sich, den Auftrag auszuführen. Liliwin sah ihm argwöhnisch nach und bedachte dann Cadfael mit einem nicht weniger mißtrauischem Blick. Es war ihm nicht zu verübeln, daß er im Augenblick niemandem trauen zu können glaubte, »Ihr werdet mich doch nicht allein lassen? Sie werden wiederkommen, noch bevor die Nacht vorüber ist.«
    »Nein, ich werde bei dir bleiben. Sei ganz beruhigt!«
    Er mußte zugeben, daß es für Liliwin in seiner augenblicklichen Situation nicht ganz einfach war, diesen Rat zu befolgen. Aber wenn er erst einmal genug warmen Wein getrunken hatte, würde er wohl schlafen können. Außer Atem und mit vom Stehen am Feuer gerötetem Gesicht kehrte Oswin zurück und brachte zwei dicke, rauhe Decken, die Liliwin sich dankbar umlegte. Der Krug mit dem gewürzten Wein war schnell ausgetrunken. Das hagere, zerschundene Gesicht des Jungen bekam etwas Farbe.
    »Geh du nur zu Bett, mein Junge«, sagte Cadfael und schob Oswin zur Nachttreppe. »Ich brauche dich jetzt nicht mehr – bis zum Morgen ist für ihn gesorgt. Dann werden wir weitersehen.«
    Mit neugieriger Verwunderung betrachtete Bruder Oswin den in Decken gehüllten Jüngling, der in Prior Roberts großem Gebetsstuhl fast zu verschwinden schien. »Glaubt Ihr wirklich«, flüsterte er, »er könnte ein Mörder sein?«
    »Mein Junge«, sagte Cadfael und seufzte, »solange wir nicht eine vernünftige Schilderung dessen bekommen haben, was heute nacht in Walter Aurifabers Haus vorgefallen ist, bezweifle ich, daß überhaupt ein Mord begangen wurde. Die Gäste haben wahrscheinlich eine Menge getrunken, und es kann gut sein, daß es einen Streit und blutige Nasen gegeben hat, und dann hat irgendein Narr den Kopf verloren, und die anderen waren töricht genug, bei dieser dummen Sache mitzumachen. Geh jetzt zu Bett und warte ab, was weiter geschieht.«
    Auch mir bleibt ja nichts anderes übrig, dachte er, während er Oswin nachsah, als dieser gehorsam die Treppe hinaufging. Es war nur zu berechtigt, den Anschuldigungen, die vorhin vorgebracht worden waren, zu mißtrauen, aber nicht alle der aufgebrachten Männer waren betrunken gewesen. Und gewiß war irgend etwas Unvorhergesehenes im Haus des Goldschmieds vorgefallen, irgend etwas, das die Hochzeitsfeier des jungen Daniel zu einem vorzeitigen Ende gebracht hatte.
    Wenn Walter Aurifaber nun wirklich erschlagen und sein Vermögen geraubt worden war – von diesem jammernswerten, in Decken gehüllten jungen Mann, der von dem Wein, den sie in ihn hineingeschüttet hatten, halb betrunken war und der beinahe schlief und doch immer wieder hochschreckte? Hätte er das in seiner Wut gewagt? Und wenn er es gewagt hätte – wäre er dazu fähig gewesen? Nur eines war gewiß: Wenn er den Raub begangen hatte, dann mußte er seine Beute sehr schnell versteckt haben, und das in einer Stadt, in der er sich sicher nicht allzu gut auskannte. In diesen armseligen, abgerissenen Kleidern hatte er kaum den Penny, den ihn die alte Dame zugeworfen hatte, verbergen können, geschweige denn den Inhalt der Geldkiste des Goldschmieds.
    Cadfael gab sich große Mühe, leise zu sein, aber als er sich dem Chorgestühl näherte, riß Liliwin seine blauen Augen auf und sah ihn erschreckt an.
    »Keine Angst, ich bin’s. Heute nacht wird dich niemand sonst stören. Mein Name ist übrigens Cadfael. Und du heißt also Liliwin.« Ein seltsamer und doch passender Name für einen fahrenden Spaßmacher, einen, der sehr jung und arm und einsam und doch stolz auf seine Kunst ist – einen Akrobaten, Schlangenmenschen, Sänger, Jongleur, Tänzer, der andere zum Lachen bringt und selbst wenig Grund zur Fröhlichkeit hat.
    »Wie alt bist du, Liliwin?«
    Er war halb eingeschlafen, hatte aber zu viel Angst, seiner Müdigkeit nachzugeben. Von Minute zu Minute sah er jünger aus und wirkte immer mehr wie ein in Decken gepacktes Kind.
    Die Kälte hatte ihn verlassen, und sein Gesicht bekam eine gesunde Farbe. Die Antwort auf Cadfaels Frage wußte er selbst nicht: Er konnte nur die Stirn runzeln und wage Vermutungen anstellen: »Ich glaube, ich werde bald zwanzig. Es könnte auch sein, daß ich schon älter bin. Vielleicht haben mich die Komödianten jünger gemacht, als ich bin – Kinder erregen mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher