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Zuckerblut

Zuckerblut

Titel: Zuckerblut
Autoren: B Leix
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übernehmen sollte. Lindt dagegen verspürte wieder mal den Wunsch, für ein paar Stunden alleine zu sein.
    Er nahm die Tasche mit dem Laptop vom Rücksitz des Wagens, gab seinem Kollegen die Schlüssel und machte sich zu Fuß auf den Weg.
    Obwohl er für seinen Spaziergang eigentlich kein bestimmtes Ziel vor Augen hatte, zog es ihn irgendwie in Richtung Schloss. Den Adenauerring überquerte er auf einer Fußgängerbrücke, dann durch das Universitätsgelände und nach einer guten halben Stunde hatte er das östliche Eingangstor des Schlossgartens erreicht.
    Er erinnerte sich an den Traum unter der alten Eiche und fast automatisch suchte er diesen Ort wieder auf.
    Die Sonne hatte den Boden schon erwärmt und so nahm er im Gras zwischen den dicken Wurzeln Platz und lehnte sich an den mächtigen Stamm. Einschlafen wollte er heute nicht und deshalb klappte er den Laptop auf, um eine Zusammenfassung des momentanen Ermittlungsstandes einzutippen.
    Er begann mit Weinbrecht, weil die Ermittlungen hier schon am weitesten gediehen waren.
    Zehn Minuten schrieb er ohne Pause, dann hielt er ein. Hinter ›Gerichtsmedizin: Ergebnisse der Exhumierungen‹ und ›Kriminaltechnik: Geländewagen-Faserspuren und DNA-Material‹ machte er jeweils ein rot hinterlegtes Fragezeichen. Ebenso bei ›Grüner Fußabdruck auf Balkon‹.
    Die Resultate mussten noch abgewartet werden.
    Wesentlich schwerer tat er sich mit Baumbach. Er listete nach und nach alle Indizien auf, die bis jetzt gesichert worden waren.
    Dann stellte er sich vor, wie es wäre, in einem Mordprozess gegen Baumbach jun. als zuständiger Ermittler vor Gericht zu stehen – komisch, gerade davon hatte er an dieser Stelle, unter der mächtigen alten Eiche hier, doch schon einmal geträumt.
    Diesmal war er allerdings hellwach und malte sich die Vorgehensweise des gewieften Juristen aus. Sicherlich bekäme er Unterstützung durch einen Verteidiger gleichen Schlages.
    Stück für Stück würden sie wie zwei Geier am Aas seine Aussage zerpflücken und anschließend in der Luft zerreißen. Ein passendes Bild, fand Lindt und stellte sich zwei lange nackte Hälse mit hässlichen Raubvogelköpfen und riesigen Hakenschnäbeln vor, die sich über ihn hermachten und mit stetig steigendem Genuss auf ihm herumhackten.
    Ein bewusst inszeniertes Spektakel, das in der breiten Öffentlichkeit viel Aufsehen erregen und letztendlich auch dem Ansehen von Kripo und Staatsanwaltschaft enormen Schaden zufügen könnte.
    Ein Mord an dem alten Richter?
    Niemals!
    Natürliche Todesursache!
    War doch von gleich zwei unabhängigen Ärzten bescheinigt worden.
    Sein Hausarzt hatte ihn lange genug aufgefordert, blutverdünnende Medikamente einzunehmen, aber er wollte ja nicht hören.
    Es kam, wie es kommen musste! Glücklicherweise war der alte Mann ohne langes Leiden ganz friedlich eingeschlafen.
    Welches Motiv hätte der Angeklagte haben sollen?
    Habgier?
    Absolut unrealistisch!
    Er war zwar finanziell zu der fraglichen Zeit nicht gerade auf Rosen gebettet gewesen, aber vielen anderen Rechtsanwälten mit kleinen Praxen geht es ähnlich. Jede Menge Arbeit, doch leider nichts Lukratives dabei.
    Spielsucht?
    Ausgeschlossen!
    Ein viel zu hartes Wort für ein harmloses Freizeitvergnügen. Hunderttausende entspannen sich auf diese Art und Weise, ohne dass es gleich vor Gericht breitgetreten wird.
     
    Lindt, der in seinen langen Dienstjahren oftmals bei Prozessen ausgesagt hatte, konnte sich den Verlauf der Verhandlung lebhaft vorstellen.
    Auch für die offensichtlich gefälschte Verfügung über die Feuerbestattung würde dem Angeklagten sicherlich eine passende Erklärung einfallen.
    Vielleicht hätte er sie ja nur zufällig auf dem Schreibtisch seines Onkels gefunden und den Formfehler der vergessenen Unterschrift beseitigen wollen. Irgendeine derartige Ausrede hätte dieser aalglatte Anwalt sicher parat.
    Zu guter Letzt konnte sich der Kommissar sogar noch vorstellen, dass die Verteidigung den ganzen Prozess als gezielte Rufschädigung darstellen könnte, um das öffentliche Ansehen und die Reputation eines für die Justiz unbequemen Anwaltes in den Schmutz zu ziehen.
    Falls es so weit kommen sollte, wäre das Gerichtsverfahren dann eine einzige Werbeveranstaltung für das Anwaltsbüro Baumbach. Nicht umsonst zeigte sich der Jurist in der Untersuchungshaft so umgänglich und geduldig. Bei einem Freispruch würden die Klienten aus der Karlsruher Halbwelt ihm, der seinen Kopf selbst so erfolgreich aus der
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