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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
Autoren: Julie Kibler
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großzügiges Trinkgeld, aber so nahe wir uns auch
standen, ein Kleid würde ich mir nicht von ihr kaufen lassen. Es würde eine
Grenze überschreiten. Warum hatte sie nicht erwähnt, dass wir zu einer Beerdigung fuhren? Sie hatte gesagt, sie müsste sich »um
ein paar Dinge kümmern«, und ich war davon ausgegangen, dass sie irgendwelche
Dokumente persönlich unterschreiben müsste, vielleicht für einen Immobilienverkauf.
Geschäftliches eben. Nicht eine Beerdigung. Zu der ich sie bringen sollte. Ich.
Und ich hatte geglaubt, sie gut zu kennen! Auf einmal sah ich sie wieder vor
mir, wie sie sich vor zehn Jahren zum ersten Mal die Haare von mir hat machen
lassen. Als ich geahnt hatte, dass sich hinter ihrer hübschen Aufmachung etwas
Dunkles versteckte, ihr etwas tiefen Kummer bereitete. Und plötzlich fiel mir
auf, dass ich nichts – absolut nichts – über ihre Kindheit wusste. Nicht
einmal, wo sie aufgewachsen war. Wie hatte ich das in all den Jahren übersehen
können? Rätsel über Rätsel … Dabei war mir Rätsel genug herauszufinden, wie ich
die Rechnungen bezahlen konnte.
    Miss Isabelle schien ihre Sachen fertig gepackt zu haben. »Können
wir morgen um Punkt zehn losfahren?«
    Knapp, aber machbar. »Ja, gut. Um zehn.«
    Â»Wir nehmen meinen Wagen. Keine Ahnung, wie ihr jungen Leute heute
mit diesen Blechautos zurechtkommt. Ist doch nichts dran an den Dingern.«
    Â»Ich fahr gern mit Ihrem Riesenschiff.« Nur schade, dass CD -Player damals noch Sonderausstattung waren, als sie 1993
ihren Buick erstanden hatte. Und ich hatte alle meine Kassetten weggeworfen.
»Miss Isabelle, tut mir leid, dass ich …«
    Â»Bis morgen früh dann«, fiel sie mir ins Wort. Sie wollte also nicht
über die Beerdigung reden. Und wusste, dass ich nicht nachhaken würde.
    Â»Benzin?«, fragte Miss Isabelle am nächsten Morgen.
    Â»Okay.«
    Â»Ã–l? Keilriemen? Filter?«
    Â»Okay. Okay. Okay.«
    Â»Snacks?«
    Â» O-K-A-Y .«
    Ich hatte Miss Isabelle eine Stunde vor der geplanten Abfahrt
abgeholt, um den Wagen in der Werkstatt von Jiffy Lube durchchecken zu lassen.
Dann hatte ich getankt und alles Nötige besorgt, unter anderem Miss Isabelles
Snacks.
    Â»Mist«, sagte sie jetzt und schnippte mit den Fingern. »Eins hab ich
vergessen. Halt bitte bei Walgreen’s am Ende der Straße.«
    Was konnte so wichtig sein, dass wir anhalten mussten, noch bevor
wir richtig losgefahren waren? Ich legte den Rückwärtsgang ein und lenkte den
Buick Miss Isabelles Auffahrt hinunter. Dort wartete ich geduldig, bis alle
Autos vorbei waren, und bog in die Straße ein.
    Â»Wenn du die ganze Zeit so fährst, kommen wir nie an«, beklagte sich
Miss Isabelle. »Meinst du, weil du eine alte Frau zu einer Beerdigung
chauffierst, musst du dich auch wie eine alte Frau benehmen?«
    Ich schmunzelte. »Ich wollte Ihren Blutdruck nicht zu früh
rauftreiben, Miss Isabelle.«
    Â»Um meinen Blutdruck kümmere ich mich schon selbst. Sorg du lieber
dafür, dass wir vor Weihnachten in Cincy sind.«
    Â»Ja, Ma’am.« Ich salutierte kurz und trat aufs Gaspedal. Gott sei
Dank war sie trotz des Todesfalls mürrisch wie immer. Der Tod konnte die
Menschen verändern. Bis jetzt wusste ich nur, dass sie einen Anruf von einer
alten Freundin erhalten hatte und zu einer Beisetzung in der Nähe von
Cincinnati, Ohio, sollte. Und natürlich, dass sie nicht allein fahren wollte.
    Bei Walgreen’s zog sie einen nagelneuen Zehner aus ihrer
Brieftasche. »Hol mir bitte zwei Kreuzworträtselhefte.«
    Â»Was?« Ich sah sie mit offenem Mund an. »Kreuzworträtsel?«
    Â»Ja. Schau nicht so entgeistert. Die halten mein Hirn auf Trab.«
    Â»Wollen Sie die während der Fahrt lösen? Soll ich was gegen Reisekrankheit
mitbringen?«
    Â»Nein, danke.«
    Als ich vor den Zeitschriftenregalen stand, hätte ich mir ein paar
mehr Informationen gewünscht. Zur Sicherheit wählte ich ein Heft in Großdruck
und ein normales. Wer kauft schon Rätselhefte? Höchstens Leute, die im Krankenhaus
warten mussten. Obwohl meine Großmutter auch immer Rätsel gelöst hat, als ich
klein war. Wahrscheinlich eine Vorliebe von alten Leuten.
    Ich trug die Hefte zur Kasse. Es war mir fast so peinlich, als hätte
ich einem männlichen Kassierer eine Großpackung Damenbinden vorlegen müssen.
Doch die
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