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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
Autoren: Julie Kibler
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grundsätzlich anrüchig, besonders dann, wenn die
betreffende Person aus Newport stammte. Ihr schien das nichts auszumachen. Sie
warf die Haare in den Nacken, wenn sie sie aus der Essensschlange drängten oder
nicht bei sich am Tisch sitzen ließen – letztlich wollte sie das gar nicht.
Trudie erzählte mir, ihre Mutter hätte sie nach Shalerville geschickt, damit
sie nicht mehr den schlechten Einflüssen von Newport ausgesetzt wäre. Sie war
alles andere als begeistert über diesen Umzug. Ich fragte sie, wie das Leben in
der Stadt sei. Sie wirkte amüsiert über mein Interesse. Am folgenden Tag nahm
sie mich nach der Schule beiseite und raunte mir zu, dass sie am Wochenende
nach Hause fahren würde. Sie fragte mich, ob ich mich am Samstagabend mit ihr
in der Stadt treffen wolle. Sie würde mir alles zeigen. Vielleicht könnten wir
uns sogar in einen der neuen Nachtklubs schleichen, von denen ihre Freundinnen
zu Hause schwärmten.
    Ich wurde rot, weil ich wusste, dass ich, obwohl ich mein eigenes
kleines Leben hasste, nachts nichts in Newport verloren hatte. Natürlich hätten
meine Eltern mir das nie erlaubt, und ich müsste mich davonstehlen. Aber
immerhin wäre ich dort nicht allein und könnte mit eigenen Augen Dinge sehen,
von denen ich bis dahin nur gehört hatte. Niemand, den ich kannte, hätte Mut zu
einem solchen Abenteuer gehabt.
    Später hörte ich meinen älteren Bruder mit einem Freund über das
Rendezvous, den neuesten Nachtklub in der Monmouth Street, sprechen – das
Etablissement hätte Klasse, sagten sie, dorthin könnten sie sogar ihre
Freundinnen mitnehmen, aber am Samstag gehe das leider nicht, weil sie ihnen
einen Kinobesuch versprochen hätten. Ihr Pech, meine Chance. Es beruhigte mich,
dass sie das Rendezvous als geeignet für ihre Freundinnen einschätzten. Ich
sagte Trudie trotz flauen Gefühls im Magen zu. Wir verabredeten uns für Samstag
um halb acht vor dem Dixie Chili.
    Nell zupfte ein letztes Mal meine Haare zurecht, als draußen eine
Hupe erklang. »Besser krieg ich’s nicht hin. Viel Spaß bei dem Fest.«
    Ich umarmte sie fest. »Danke, Nell. Morgen erzähle ich dir alles.«
Sie wich zur Tür zurück. Ich wusste nicht, was sie mehr verblüffte – mein
unerwarteter Beweis der Zuneigung oder meine Aufregung über ein Fest, das ich,
wie sie wusste, eigentlich langweilig fand.
    Â»Miss Isabelle?«
    Ich blickte über die Schulter zurück.
    Â»Passen Sie auf sich auf.«
    Â»Ach, Nell. In was für Schwierigkeiten sollte ich schon geraten?«
    Sie schürzte die Lippen, verschränkte die Arme vor der Brust und
lehnte sich gegen den Türrahmen. Nell war ihrer Mutter erschreckend ähnlich –
auch ihr stand die Sorge ins Gesicht geschrieben. Ich verabschiedete mich mit
einem kurzen Winken, lief schnell die Stufen hinunter und drosselte erst kurz
vor dem Treppenabsatz mein Tempo. Ich wusste, dass meine Mutter an der Haustür
auf mich wartete, um mein Aussehen und mein Benehmen zu überprüfen.
    Â»Ich habe dich gehört«, sagte meine Mutter prompt. »Damen rennen
nicht. Schon gar nicht die Treppe herunter.« Sie tippte mir mit ihrer Brille
auf die Schulter.
    Â»Ja, Ma’am.« Ich duckte mich unter ihrem Arm hindurch.
    Â»Warum trägst du denn dieses Kleid? Das
ist nicht das Richtige für ein Fest«, bemerkte sie mit gerunzelter Stirn.
    Â»Warum denn nicht?«, erwiderte ich.
    Daddy kam, die Brille tief auf der Nase, mit der Zeitung herein. Er
schob sie hoch, um mich zu begutachten. »Hallo, Liebes. Du bist wunderschön.
Viel Spaß bei der Party.«
    Â»Die Jones bringen dich hin und holen dich wieder ab, ja? Spätestens
um halb zwölf bist du zu Hause«, ermahnte mich meine Mutter.
    Â»Ja, Mutter. Nicht mal Aschenputtel hat sich vor Mitternacht
zurückverwandelt.«
    Â»Isabelle, hüte deine Zunge.« Sie sah mir noch nach, als ich schon
am Wagen war.
    Nun musste ich mich erneut mit der Frage nach der Wahl meines
Kleides auseinandersetzen. Sissy Jones streckte den Kopf aus dem hinteren
Fenster des Autos. »Isabelle, was hast du denn da an? In dem alten Fetzen
siehst du aus, als wolltest du zu einer Beerdigung.«
    Sie und Mutter hatten recht. Das schlichte dunkle Kleid hatte ich
tatsächlich ein paar Monate zuvor zur Beisetzung meines Großvaters getragen. Es
war das einzige Kleidungsstück in meinem Schrank,
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