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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
Autoren: Julie Kibler
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das mich nicht wie ein
Schulmädchen wirken ließ. Zwischen dem alten Modeschmuck und Make-up – beides
hatte Tante Bertie mir vor Jahren zum Spielen geschenkt – hatte ich eine
Brosche mit Perlen entdeckt, die nicht zu abgegriffen war, und in die
Handtasche gesteckt. Damit wollte ich das Kleid etwas herausputzen; das musste
reichen. Bestimmt waren nicht alle Frauen, die die Nachtklubs in Newport
besuchten, so glamourös wie meine Tante. Und idealerweise würde ich in dem
schlichten Ding nicht auffallen. Schließlich war ich ja nur neugierig, wie die
Welt jenseits des unsichtbaren Zaunes aussah, den die Mütter von Shalerville
für uns errichtet hatten.
    Â»Cora ist schuld«, antwortete ich Sissy. »Vor ein paar Tagen hat sie
alle meine hübschen Kleider zum Lüften und Aufbügeln aus dem Schrank genommen
und noch nicht wieder zurückgehängt. Was hätte ich denn tun sollen?« Ich konnte
nur hoffen, dass Gott mir diese Lüge vergeben würde. Cora war mir oft näher als
meine Mutter; fast immer versorgte sie die Wunden, wenn ich mir das Knie
aufschlug, oder drückte mich tröstend an ihren weichen, nach Kernseife und
Stärke riechenden Busen. Doch ich brauchte eine Entschuldigung für meinen
ungewöhnlichen Aufzug, und was Cora nicht wusste, konnte sie nicht verletzen.
    Â»Danke, dass Sie mich abholen, Mr Jones.« Ich setzte mich neben
Sissy. »Nach Hause brauchen Sie mich nicht zu fahren, denn ich muss früher
gehen.«
    Sissy sah mich fragend an. »Wie willst du denn heimkommen?«,
erkundigte sie sich. Es war allseits bekannt, dass meine Mutter mich abends
nicht allein nach Hause gehen ließ, schon gar nicht, wenn es bereits dunkel
war.
    Â»Nell und ihr Bruder holen mich ab.«
    Â»Du gehst vor Einbruch der Dunkelheit? Warum kommst du dann
überhaupt mit, wenn du so bald wieder wegmusst?«
    Neger durften nach Sonnenuntergang nicht mehr auf den Straßen
unseres Ortes unterwegs sein. Dass Sissy das sofort einwenden würde, hatte ich
nicht bedacht. Sie war clever, manchmal scharfsinniger, als ihr guttat, und
nicht gerade meine beste Freundin, obwohl unsere Eltern uns von frühester
Kindheit an zusammenzubringen versuchten. Auch sie war eins von den Mädchen,
die sich Trudie gegenüber so gemein verhielten, und bei dem Gedanken daran, wie
sie wohl auf mein eigentliches Vorhaben reagieren würde, musste ich lächeln.
    Â»Ich kann nur eine Stunde bleiben, aber das Fest wollte ich mir
nicht entgehen lassen.« Ich sah sie an. Sie wusste, wie sehr ich solche Partys
hasste, jedoch auch, dass ich jede Gelegenheit ergreifen würde, an einem
Samstagabend von zu Hause wegzukommen. »Ich werde mich auf den Weg machen,
bevor es dunkel wird.«
    Die perfekte Ausrede. Nun konnte ich meinen Aufenthalt kurz halten,
ohne dass Nell und ihr Bruder meinetwegen Schwierigkeiten bekamen. Sie würden,
lange bevor die letzten Strahlen der Sonne auf unseren kleinen Ort fielen, zu
Hause sein.
    Mr Jones ließ uns vor dem Haus der Familie Curry aussteigen, wo ich
die üblichen Umarmungen und Wangenküsschen der anderen Mädchen über mich
ergehen ließ. Als einige mein Kleid genauso argwöhnisch wie Mutter und Sissy
musterten, tat ich ihre Kommentare mit einer unwirschen Handbewegung ab.
Nächstes Mal würde ich Tante Berties alte Zigarettenspitze aus Jade
hervorholen, die in meiner Handtasche zusammen mit dem alten Make-up verborgen
lag. Und dann einen der pickeligen Jungs bitten, mir Feuer zu geben, und mich
über die neidischen Gesichter der Mädchen freuen.
    Als die Stunde endlich vorbei war, verabschiedete ich mich von
Earline und ging in die Küche zu ihrer Mutter. »Danke für die Einladung, Mrs
Curry. Das Fest war wunderschön. Ich soll Ihnen einen Gruß von meiner Mutter
ausrichten.«
    Â»Willst du denn schon gehen?«, fragte sie.
    Â»Ja, Ma’am. Ich muss meiner Mutter bei den Vorbereitungen für ein
Familienessen morgen helfen.« Das entsprach immerhin halb der Wahrheit. Die
Freundinnen meiner Brüder waren zum Sonntagsbraten bei uns eingeladen. Mutter
wollte sogar vom Gottesdienst fernbleiben, um alles herzurichten. Mrs Curry und
meine Mutter sahen sich fast nur in der Kirche, und wenn sie sich das nächste
Mal dort begegneten, hatte Mrs Curry bestimmt vergessen, dass ich so früh gegangen
war.
    Â»Ich höre gar keinen Wagen«, bemerkte sie.
    Â»Unser Dienstmädchen und ihr
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