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Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
Autoren: Julie Kibler
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Bruder begleiten mich nach Hause. Ich
warte draußen auf der Veranda auf sie.« Mrs Curry drückte geistesabwesend meine
Schulter und wandte sich wieder den ungenießbaren Sandwiches zu, die sie bei
solchen Anlässen für gewöhnlich zubereitete. Ich glaube, manchen der Mädchen
schmeckten sie tatsächlich.
    Â»Pass auf dich auf. Bis morgen in der Kirche.«
    Â»Gute Nacht, Mrs Curry.«
    Ich schlich auf Zehenspitzen durch den großen Flur zurück und warf
einen Blick in das Wohnzimmer, wo die anderen ein albernes Spiel spielten, für
das wir längst zu alt waren. Die Mädchen hofften, sich so den Jungen nähern zu
können, für die sie schwärmten. Der arme Freddy, der ohne Brille sowieso blind
wie ein Maulwurf war, stolperte mit verbundenen Augen herum. Ich schlüpfte
hinaus und zog die Haustür fast hinter mir zu. Nicht ganz, damit niemand sie
einrasten hörte und merkte, dass ich mich allein auf den Weg machte. Eine junge
Frau ohne Begleitung auf den Straßen von Shalerville, Kentucky, einer
Kleinstadt mit ziemlich genau fünfhundert Einwohnern, war nicht ungewöhnlich,
aber leider kannte der gesamte Ort meine Mutter.
    Nach knapp einem Kilometer würde ich die Straßenbahnhaltestelle
erreichen und den kurzen Weg in die Stadt fahren, trotzdem wurde ich allmählich
nervös. Sogar tagsüber war Newport eine andere Welt als Shalerville. Dort
wimmelte es von frivolen Männern und Frauen; ich hatte unseren Pfarrer über die
illegalen Spielhöllen und Bordelle wettern gehört. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit suchten meine Brüder mit ihren Freunden solche
Etablissements auf, allerdings nicht mit ihren Freundinnen – beides nette Mädchen
aus Shalerville, die keine Ahnung hatten, wie Jack und Patrick wirklich waren.
Vielleicht sollte ich sie morgen warnen.
    Nun, ich würde mich an Trudie halten, und sollte mich dennoch
jeglicher Mut verlassen, würde ich kehrtmachen und davonrennen.
    Trudie kam eine Viertelstunde zu spät zum Dixie Chili. Ich
starrte sie mit offenem Mund an, als sie auf mich zustöckelte. Fast hätte ich
das unscheinbare Mädchen aus der Schule nicht wiedererkannt. Sie trug ein tief
ausgeschnittenes, weißes Kleid mit grünem Diamantmuster. Ihr Lippenstift, der
mindestens viermal so grell war wie der, den ich in der Straßenbahn aufgetragen
hatte, das eng anliegende Kleid und die hohen Schuhe ließen sie wie eine
erwachsene Frau wirken.
    Â»Du bist tatsächlich gekommen«, kreischte sie und umarmte mich so
überschwänglich, dass ich fast das Gleichgewicht verloren hätte. »Meine Ma
hätte mich nie weggelassen, wenn sie nicht wüsste, dass ich mich mit dir
treffe, einem netten Mädchen aus Shalerville. Genau das, was sie sich für mich
erhofft … Komm«, sagte sie und zog mich hinter sich her zum Rendezvous. Es
erstaunte mich, dass sie es so eilig hatte. Ich hatte gedacht, wir würden eine
Weile die Monmouth Street entlangbummeln, und sie würde mir die nächtlichen
Attraktionen zeigen. Ich hatte Mühe, mit ihren langen Schritten mitzuhalten –
sie war ungefähr fünfzehn Zentimeter größer als ich. Kaum hatten wir in dem
Lokal einen Platz in der Nähe der Theke gefunden, als ihr auch schon ein junger
Mann einen Drink brachte, den sie ziemlich schnell austrank. Dann zog er sie
auf die Tanzfläche. Halbherzig entschuldigte sie sich. »Isabelle, dir macht’s
doch nichts aus, wenn ich tanze, oder?«
    Ich drückte mich, sprachlos über Trudies frivoles Benehmen, an die
Wand. Dass sie mich hier allein stehen lassen würde, hatte ich nicht erwartet.
Fast wäre ich gegangen. Stattdessen beobachtete ich verstohlen die Gäste und
tat so, als würde ich den Swing genießen, den ein Trio auf einer erhöhten Bühne
spielte. Männer und Frauen unterhielten sich angeregt oder tanzten ebenfalls.
Andere speisten an winzigen Tischen. Alle rauchten und tranken Cocktails – das
Lachen, die Musik und das Gläserklirren ergaben eine Geräuschkulisse, die ich
nur aus dem Kino kannte.
    Ich war mir noch nie so fehl am Platz vorgekommen, nicht einmal bei
den Festen meiner Freundinnen. Bei denen gehörte ich wenigstens mehr oder
weniger dazu, auch wenn ich das Gefühl hatte, anders als sie zu sein. Und im
Hinblick auf das Kleid hatte ich mich gründlich getäuscht; hätte ich nur ein
geblümtes gewählt, egal, wie
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