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Koma

Koma

Titel: Koma
Autoren: Robin Cook
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Prolog 14. Februar 1976
     
    Nancy Greenly lag auf dem Operationstisch und starrte in die riesigen Paukenleuchten über ihr. Operationssaal 8. Nancy Greenly versuchte, ruhig zu sein, ganz ruhig. Man hatte ihr präoperative Injektionen verabreicht und ihr gesagt, gleich würde sie sich schläfrig und unbeschwert fühlen. Nancy Greenly spürte nichts von alledem. Sie war nervöser und ängstlicher als vor den Spritzen. Am schlimmsten war, daß sie sich absolut und hundertprozentig hilflos vorkam. In den dreiundzwanzig Jahren ihres Lebens hatte sie nie zuvor dieses Gefühl von Scham, Angst und Wehrlosigkeit erlebt. Sie lag unter einem weißen Bettuch, das ausgefranst und an einer Ecke ein wenig eingerissen war. Der Riß beunruhigte sie, warum, wußte sie nicht. Sie trug eines dieser Krankenhausnachthemden, die am Rücken offen sind und nur bis halb über den Oberschenkel reichen. Laken und Hemd, das war alles, bis auf die Hygiene-Binde, die, sie fühlte es, schon mit Blut vollgesogen war: mit ihrem Blut. In diesem Augenblick haßte sie das Krankenhaus. Sie hatte Angst und wollte schreien, wollte aufstehen, aus dem Raum rennen, hinaus auf den Korridor. Aber sie blieb liegen. Denn mehr als vor allem anderen graute ihr vor den Blutungen, mehr jedenfalls als vor der unpersönlichen Umgebung des Krankenhauses. Beides zusammen ließ ihr die eigene Sterblichkeit bewußt werden, ein abscheulicher Gedanke.
    An diesem 14. Februar 1976 um 7 Uhr 11 morgens zeigte der Himmel über Boston von Osten her ein kalkiges Grau. Die Autos, die sich Stoßstange an Stoßstange in die City quälten, hatten die Scheinwerfer an. Die Temperatur bewegte sich um drei Grad über dem Gefrierpunkt, und die Leute auf den Straßen strebten eilends ihren Zielen zu. Man hörte keine Stimmen, nur die Motoren und den Wind.
    Im Boston Memorial Hospital war es dagegen wie in einer anderen Welt. Die fluoreszierenden Deckenlampen im Operationstrakt leuchteten jeden Quadratzentimeter Boden gleichmäßig aus. Emsige Aktivitäten und aufgeregte Stimmen unterwarfen sich der eisernen Regel: Punkt 7 Uhr 30 begannen die Operationen, das heißt, waren die Skalpelle an der Reihe. Alles andere, das Herbeibringen der Patienten, die Vorbereitungen, das Waschen, die Einleitung der Narkose, mußte bis dahin erledigt sein.
    Folglich lief um 7 Uhr 11 im Operationstrakt alles bereits auf Hochtouren. Operationssaal 8 bildete dabei keine Ausnahme. Es gab ohnehin nichts Besonderes an Operationssaal 8 – ein typischer OP, wie alle anderen im Memorial. Die Wände bestanden aus neutral gefärbten Kacheln, der Boden war mit gesprenkelten Kunststoffplatten ausgelegt. Um 7 Uhr 30 war an diesem 14. Februar in Saal 8 ein gynäkologischer Eingriff angesetzt, Erweiterung des Gebärmuttermundes und Ausschabung, eine Routineangelegenheit. Die Patientin war Nancy Greenly, der Anästhesist Dr. Robert Billing, Assistenzarzt im zweiten Jahr. Als Operationsschwester war Ruth Jenkins vorgesehen, als Hilfsschwester Gloria D’Mateo. Ausführender Chirurg war George Major, ein relativ neues, junges Mitglied der eingesessenen Gynäkologen-Hierarchie. Er hielt sich noch im Ankleideraum auf und legte den Operationskittel an, während die anderen im Saal mit den Vorbereitungen beschäftigt waren.
    Nancy Greenly hatte die Blutungen elf Tage lang gehabt. Zuerst hatte sie das Ganze als normale Periode abtun wollen, obwohl sie der Umstand, daß sie viel zu früh einsetzte, stutzig machen mußte. Die Blutungen hatten sich durch nichts vorher angekündigt, mit Ausnahme vielleicht eines leichten Krampfgefühls am Morgen des ersten Auftretens. Auch danach litt sie keine Schmerzen, die Blutungen waren mal stärker, mal schwächer. Jeden Abend hoffte Nancy, daß nun Schluß wäre. Jeden Morgen wachte sie auf, und der Tampon war mit Blut durchtränkt. Ihre telefonischen Konsultationen, zuerst mit Dr. Majors Sprechstundenhilfe, dann mit dem Doktor selbst, beruhigten sie zwar immer wieder, jedoch von Mal zu Mal für kürzere Zeit. Das Ganze war ohnehin ein Riesenreinfall, wie immer kamen solche Sachen zur denkbar ungelegensten Zeit. Kim Devereau hatte während der Ferien die juristischen Lehrbücher in den Schrank stellen und zu ihr nach Boston kommen wollen, und ihre Stubengenossin war zartfühlend genug gewesen, für die fragliche Woche einen Ski-Urlaub in Killington zu buchen. Alles fügte sich aufs beste – bis auf die verdammten Blutungen. Nancy war ein zartes, fast aristokratisch anmutendes Geschöpf. Mit
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