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Koma

Koma

Titel: Koma
Autoren: Robin Cook
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Anzeigen auch lesen, dürften sie doch niemanden allzusehr überraschen. Es gibt Präzedenzfälle in der Medizin. Auch Blut ist eine Art Organ, und Verkauf und Kauf von Blut gilt als Routinesache. Es gibt einen Handel mit Spermata, die zwar kein Organ, doch Produkt eines Organs sind.
    Auch mit anderen Organen ist bereits gehandelt worden. In den dreißiger Jahren kaufte ein reicher Italiener einem jungen Neapolitaner eine Hode ab und ließ sie sich einpflanzen. (Er wollte nicht nur das Organ, das Organ sollte auch produzieren.) In den letzten Jahren sind Fälle bekanntgeworden, da Familien sich weigerten, ihren sterbenden Angehörigen eigene Nieren zu spenden, und statt dessen freiwillige Spender suchten und dafür bezahlten.
    Das größere Problem, die eigentliche Gefahr, erwächst aus dem Tatbestand, daß diese »Ware« so knapp ist. Heute warten Tausende auf Nieren und Hornhäute für die Augen. Diese beiden Organe sind aus dem einfachen Grund besonders gefragt, weil sie am häufigsten verpflanzt wurden, und zwar mit Erfolg. Dank der Dialyse-Apparate können potentielle Nierenempfänger (wenigstens einige, andere läßt man sterben, weil es zuwenig Apparate, Personal und Mittel dafür gibt) am Leben erhalten werden, aber ihr Leben verläuft alles andere als normal. Der Seelenzustand dieser Leute grenzt oft an Verzweiflung. Das hat die eigenartigsten Auswirkungen. Nieren-Dialyse-Zentren berichten geradezu von einem »Feriensyndrom«. Das heißt: Wenn ein Ferienwochenende naht, steigen die Lebensgeister der Patienten in der freudigen Erwartung der vielen Autounfälle und ihrer Opfer, die ihnen die sehnlichst erwarteten und verzweifelt benötigten Organe liefern können.
    Das Tragische daran ist, daß sich die Lösung des Problems bereits in greifbarer Nähe befindet. Die medizinische Technologie hat den Punkt erreicht, da ungefähr sieben Prozent aller Nieren von Toten für die Transplantation geeignet sind (bei Hornhaut liegt der Prozentsatz wesentlich höher), vorausgesetzt, sie werden innerhalb einer Stunde nach Eintritt des Todes dem Körper des Spenders entnommen. Doch statt dem guten Zweck zugeführt zu werden, landen diese Organe in der Regel unter der Erde oder in den Flammen der Krematorien. Und das vor allem wegen des gesetzlichen Dschungels, dessen Wurzeln in das dunkle Mittelalter angelsächsischen Rechts zurückreichen. Denn damals fielen Leichen mehr unter kirchliches als unter weltliches Recht. Es erscheint kaum glaubhaft, daß ein solches Erbe unsere derzeitigen Lebensmöglichkeiten einschränken könnte. Aber genau so verhält es sich.
    Heute haben die meisten, wenn nicht alle Bundesstaaten der USA die sogenannte Uniform Anatomical Gift Act, das heißt, einheitliche anatomische Schenkungsbestimmungen verabschiedet. Das Gesetz ist dazu angetan, die Medizinischen Hochschulen mit Leichen zu beliefern, die daran ohnehin nie Mangel litten. Zur Befriedigung des dringenden Bedarfs an »lebenden« Organen für Transplantationszwecke trägt es nichts bei. Man hat als Alternativlösung vorgeschlagen, daß alle Organe unmittelbar nach dem Tod des Spenders zu Transplantationszwecken verfügbar sein sollen, es sei denn, der Verstorbene oder seine nächsten Verwandten hätten dies zuvor ausdrücklich untersagt. Aber die Räder dieser Art von Fortschritt drehen sich mit aufreizender Langsamkeit, während potentielle Empfänger dem Tod überantwortet werden und brauchbare Organe auf dem Friedhof modern. Es bleiben schwierige Fragen wie die nach einer akzeptablen Definition von Tod und den Rechten des Individuums nach seinem Tod. Aber solche Schwierigkeiten sollten kein Hindernis dabei sein, für das Problem verschwendeter menschlicher Organe eine Lösung zu finden.
    Das Problem der Knappheit an Transplantationsorganen ist nur ein schlagendes Beispiel für das Versagen der Gesellschaft im allgemeinen und der Medizin im besonderen, wenn es darum geht, die sozialen, rechtlichen und ethischen Folgen von technologischen Neuerungen vorauszusehen. Aus unerfindlichen Gründen wartet die Gesellschaft bis zum letzten Augenblick, bevor sie einen Weg sucht, um das inzwischen eingetretene Chaos so gut wie möglich in Ordnung zu bringen. Um beim Beispiel der Transplantationen zu bleiben: Das Versäumnis, wachsende Probleme rechtzeitig zu erkennen und angemessene Lösungen zu finden, wird auf diesem Gebiet geradezu die Büchse der Pandora öffnen – mit zahllosen, heute gar nicht abschätzbaren Auswüchsen. Die Stark & Co.
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