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Koma

Koma

Titel: Koma
Autoren: Robin Cook
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ihrem Körper nahm sie es sehr genau. Bei der kleinsten Unsauberkeit fühlte sie sich unwohl. Und nun die Blutungen, die kein Ende nehmen wollten! Nancy kam sich schmierig und abstoßend vor. Und dann bekam sie es mit der Angst zu tun.
    Den Tag würde sie so schnell nicht vergessen. Sie lag im Wohnzimmer auf der Couch, die Füße auf der Lehne, und las den Leitartikel im Globe, während Kim in der Küche Drinks bereitete. Plötzlich hatte sie ein seltsames Gefühl in der Vagina, so als würde sie von einer warmen, weichen Masse eingehüllt. Dabei fühlte sie nicht den geringsten Schmerz. Zuerst hatte sie keine Ahnung, was los war, doch dann merkte sie, wie etwas an der Innenseite der Oberschenkel herunterfloß: Sie hatte Blutungen, und zwar äußerst starke. Sie drehte den Kopf in Richtung Küche und rief: »Kim, würdest du bitte einen Krankenwagen rufen?«
    »Was ist passiert?« Kim kam herbeigerannt.
    »Nichts weiter, ich hab’ nur starke Blutungen. Wahrscheinlich eine besonders intensive Periode, kein Grund zur Aufregung. Aber ich sollte lieber gleich ins Krankenhaus fahren. Ruf also bitte den Krankenwagen.«
    Die Fahrt verlief ereignislos, kein Blaulicht, keine Sirene. In der Notstation hatte sie länger warten müssen, als es ihr gerechtfertigt erschien. Dann war Dr. Major aufgetaucht, und zum erstenmal hatte sie sich über seinen Anblick gefreut. Die Vagina-Untersuchungen, denen sie sich routinemäßig unterzogen hatte, waren ihr immer widerlich vorgekommen, und im Lauf der Zeit hatte sie Dr. Major mit diesen unerfreulichen Erlebnissen identifiziert. Doch als er sich nun in der Notstation über sie beugte, hätte sie vor Freude fast geweint.
    Trotzdem war die dann folgende Untersuchung von allen die schlimmste gewesen. Als einzige Barriere zwischen dem Trubel in der Notaufnahme und Nancys stark angeschlagenem Selbstrespekt gab es eine dünne Gardine, die noch dazu fortwährend auf- und zugerissen wurde. Alle paar Minuten maß man ihren Blutdruck, Nancy mußte sich ihrer Kleider entledigen und das Krankenhaushemd anlegen, und immer wieder flog die Gardine zur Seite, und sie sah sich mit einer Reihe von Gesichtern konfrontiert, Gesichtern über weißen Kitteln, Kindern mit Schnittwunden, alten, müden und phlegmatischen Leuten. Und vorn, gleich beim Vorhang, stand die Bettpfanne, für jedermann sichtbar. Sie enthielt einen großen unförmigen Klumpen dunkelroten Blutes. Währenddessen hantierte Dr. Major zwischen ihren Schenkeln herum und unterhielt sich mit der Schwester über irgendeinen anderen Fall. Nancy schloß die Augen ganz fest und weinte still in sich hinein.
    Aber das würde nun alles bald vorbei sein, hatte Dr. Major versprochen. Er hatte Nancy sehr ausführlich mit dem Erscheinungsbild ihrer Gebärmutter vertraut gemacht, ihr erklärt, wie sich die Uterus-Wände beim normalen Zyklus verändern und was geschieht, wenn diese Veränderungen ausbleiben. Irgend etwas mit den Blutgefäßen und daß der Eierstock ein Ei abstoßen müßte. Aufweitung und Ausschabung hieß die Lösung, hatte Dr. Major gesagt: ganz einfach, keinerlei Risiko, und sie wäre die Sache ein für allemal los. Nancy hatte sofort zugestimmt, nicht weiter gefragt und nur darum gebeten, ihre Eltern nicht zu verständigen. Das konnte sie selbst hinterher immer noch besorgen. Ganz bestimmt würde ihre Mutter glauben, es handele sich um eine Abtreibung.
    Jetzt lag Nancy also da und starrte in die grelle OP-Lampe. Sie klammerte sich an den Gedanken, daß der ganze Alptraum in einer Stunde vorbei sein und ihr Leben wieder normal werden würde. Was um sie herum vorging, war ihr so fremd, daß sie nichts und niemanden sehen wollte.
    »Liegen Sie bequem?«
    Nancy erlaubte sich einen Seitenblick nach rechts. Aus dem Sehschlitz im synthetischen Gewebe der OP-Maske sahen sie tiefbraune Augen an. Gloria D’Mateo schlang den Gurt um Nancys rechten Arm und fesselte sie an den Operationstisch.
    »Ja.« Nancy log aus purem Fatalismus. In Wahrheit lag sie so unbequem, wie man es sich nur vorstellen konnte. Die Unterlage war so hart wie ihr billiger Kunststoff-Küchentisch. Aber das Phenergan und Demerol taten langsam ihre Wirkung. Nancy war hellwach, viel zu wach für ihren Geschmack, trotzdem fühlte sie sich irgendwie von ihrer Umgebung losgelöst. Auch das Atropin, mit dem man sie vollgepumpt hatte, machte sich bemerkbar. Kehle und Mund waren trocken, die Zunge klebte am Gaumen.
    Dr. Robert Billing hatte nur Augen für seine Apparatur, ein Gewirr
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