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Die Tote ohne Augen

Die Tote ohne Augen

Titel: Die Tote ohne Augen
Autoren: Jeff Herr
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Kapitel 1
     
    Eine tote Frau wird total
verunstaltet in einem Weiher gefunden. Das kleine Etteldorf wird zum Schauplatz
eines brutalen Mordes, der von der süßen, aber sehr spitzfindigen Maria
Ferreira aufgeklärt wird. Aber hat sie auch alles richtig gemacht?
     
    „Ich hab gesehen, was du getan
hast … Ich werde dich verraten …“
     
    Pierre fuhr mit seinem
Dienstwagen vom alten Campingplatz an der staatlichen Fischzucht vorbei nach
Etteldorf. Es war im frühen Herbst und die Blätter begannen sich langsam, aber
sicher rot zu färben, es waren jedoch noch 20 Grad und es nieselte. Über der Nietsche,
dem Nationalfluss, der sich durch das Tal nach Gosseldorf schlängelte, lag ein
Nebelschleier. Der Campingplatz war bereits vor Jahren geschlossen worden.
Lange schon kamen keine holländischen Touristen mehr hierher. Was wollten sie
auch hier? Außer Wald gab es nichts zu sehen. Die paar Dauercamper, die noch da
waren, waren letztes Jahr vertrieben worden. Einer von ihnen war darüber so
erbost, dass er sein Wohnmobil kurzerhand anzündete. Die alten Baulichkeiten,
welche die Duschen, die Toiletten und einen kleinen Aufenthaltsraum
beherbergten, waren gerade dabei, abgerissen zu werden, um einer neuen
Sporthalle Platz zu machen. Die Einwohner waren geteilter Meinung über diese
Halle, ebenso der Gemeinderat. Vom Dorf bis zum Campingplatz waren es gut zwei
Kilometer. Warum dort oben eine Sporthalle errichten, mitten im Wald? Im Moment
konnten die Kinder noch zu Fuß gehen, sei es zum Tischtennis, Karate oder
Kinderturnen. Ebenfalls konnten die älteren Menschen zu Fuß zu einem der vielen
Konzerte gehen, die in der aktuellen Sporthalle stattfanden. Sind all diese
Dinge erst mal in der neuen Halle, ist dies nicht mehr möglich. Aber das hat
der aktuelle Gemeinderat nicht bedacht, so ein Jahr vor den Wahlen. Das wird
wohl verschiedene Mitglieder ein paar Stimmen kosten. Ganz beliebt war das
Konzert des lokalen Gesangvereins, dessen Präsident sich jedes Jahr ein neues
Thema einfallen ließ. Das Konzert fand an zwei Abenden statt, da sich so viele
Zuschauer anmeldeten, dass sie nicht alle auf einmal in die Halle passten.
Jedoch auch in der neuen Halle gab es nicht mehr Sitzplätze als in der alten.
    Pierre war bei der Quellenfassung
gewesen, um mit einem Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes Wasserproben zu
sammeln. Eine alte Quelle, die schon einmal vor Jahren ins Wassernetz
eingespeist wurde, aber in den letzten Jahren zu wenig Wasser lieferte, sollte
wieder in Betrieb genommen werden. Bei diesen Proben färbte der Chemiker das
entnommene Wasser mithilfe von Chemikalien ein, um sofortige Ergebnisse
betreffend den Mineraliengehalt zu bekommen. Er erklärte Pierre, dass es
wichtig sei, sich Schutzbrille und Handschuhe anzuziehen, da einige seiner
Chemikalien sehr giftig und ätzend seien. Pierre nahm die Wasserproben und
füllte das Wasser in Reagenzgläser. Die eigentlichen Tests wurden außerhalb der
Quellenfassung gemacht, um zu verhindern, dass eine der Reagenzien mit der
Quelle in Kontakt kam. Als Pierre im Gemeindeatelier ankam, eilte der
Gemeindetechniker gerade heraus zu seinem Auto. Ein Notfall? Oder eher das
heimliche Treffen an der Tankstelle, wo jeder genau wusste, wo das kalte Bier
stand?
    „Alles gut gelaufen?“ „Ja klar,
dieser Chemiker hat mir etwas Angst gemacht mit seinem giftigen Zeug.“ Pierres
Chef wollte immer alles wissen und vermerkte auch alles, was seine Jungs so
während des Tages taten, in ein Notizbuch, „damit keiner sagen kann, wir würden
nix arbeiten.“ Das Klischee des faulen Gemeindearbeiters war noch immer in den
Köpfen der Leute – zu Recht?
    Etteldorf war ein kleines,
überschaubares Dorf umgeben von Hügeln und Wäldern. Es zählte etwa 2000
Einwohner, jeder kannte jeden. Es gab eigentlich alles, was man brauchte: Einen
guten Bäcker, einen über die Grenzen der Gemeinde hinaus für sein gutes Fleisch
bekannten Metzger, zwei Restaurants, verschiedene kleine Geschäfte und eine
Tankstelle. Es war ein Dorf, das im grünen Herzen des Landes lag, gab es doch
viele Äcker, Wiesen und Wälder. Doch in den letzten Jahren wurde viel Ackerland
in Wohngebiete umgewandelt. Dass dieses Ackerland dem Bürgermeister gehörte,
war wohl eher Zufall. Die Einwohnerzahl stieg stetig an. Es war das einzige
Dorf des Landes, das sein Leitungswasser ausschließlich aus eigenen Quellen
bezog und nicht ans nationale Wasserversorgungsnetz angeschlossen war. Mehr
Einwohner bedeuten jedoch auch
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