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Zu viele Morde

Zu viele Morde

Titel: Zu viele Morde
Autoren: Colleen McCullough
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einzuschenken. »Evan Pugh war ein schwieriger junger Mann«, sagte er, als er wieder in seinem Sessel saß und an seinem Glas nippte. »Ich befürchte, dass ihn eigentlich niemand wirklich kannte – oder, vielleichtnoch wichtiger, dass ihn niemand leiden konnte. Ich habe schon seit vielen Jahren mit jungen Leuten zu tun, aber darunter waren nur wenige Evan Pughs. Ich weiß gar nicht so recht, wie ich seine Persönlichkeit beschreiben soll, außer, dass sie – abstoßend war. Ich behaupte nicht, auf dem Laufenden zu sein, was die moderne Wissenschaft angeht, aber ich habe etwas über Substanzen namens Pheromone gelesen. Sie werden ausgeschüttet, um andere anzuziehen, speziell das andere Geschlecht. Die Pheromone, die Evan Pugh ausschüttete, waren abstoßend.« Er zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck Sherry. »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Captain. Ich kannte ihn eigentlich überhaupt nicht.«
    Carmine blieb noch eine Weile, bis er seinen Drink geleert hatte, plauderte mit dem Dekan über die College-Stiftung durch den Parson-Clan, dessen Wohltätigkeiten – inzwischen Millionen über Millionen – immer auf die Medizin ausgerichtet waren. Roger Parson seniors Wahl von Piero Conducci als Architekten überraschte ihn nicht; wenn die jüngeren Mitglieder des Clans die Wahl gehabt hätten, wäre Paracelsus gewiss an einen konservativeren Architekten gegangen. Es musste sie sehr geschmerzt haben, ihre Edition der
Bürger von Calais
herzugeben, aber sie hatten eingewilligt; sie stand an dem Junior/Senior-Ende des X des Zentrums, inmitten eines der Conduccis Glaswand-Stein-Gärten und sah so umwerfend aus, wie es ein Rodin tun sollte.
    »Ich denke mir«, sagte der Captain der Detectives ernst, »dass alle Lastkräne in der Umgebung von Paracelsus strengstens kontrolliert werden.«
    »Das würden sie, wenn irgendeiner aufgetaucht wäre, aber es freut mich, zu sagen, dass das noch nie geschehen ist. Und es gibt an der Chubb noch viele andere Kunstwerke, die viel leichter zu stehlen sind als unser Rodin.«
    »Und es werden noch viel mehr, wenn das Museum für italienische Kunst gebaut wird – viele Canalettos und Tizians werden dann aus den Tresoren kommen. Falls sich die Thanassets jemals entscheiden können, wo das Museum stehen soll«, sagte Carmine.
    »Eine großartige Universität«, sagte der Dekan gewichtig, »sollte in Kunstwerken schwimmen! Ich danke Gott jeden Abend für die Chubb.«
     
    Es war kurz nach acht, als Carmine in die rechtsmedizinische Abteilung des County Services Buildings in der Cedar Street kam. Der Rechtsmediziner war sein Cousin ersten Grades, obwohl niemand jemals vom Aussehen her auf eine Blutsverwandtschaft getippt hätte. Patrick hatte blaue Augen und rotbraunes Haar, mit einer hellen, sommersprossigen Haut; Carmine hatte dunkelbraune Augen und schwarzes, welliges Haar, das er bändigte, indem er es kurz hielt. Sie waren die Kinder der Cerutti-Schwestern, von denen eine einen O’Donnell und die andere einen Delmonico geheiratet hatte. Obwohl Patrick zehn Jahre älter war als Carmine und der glücklich verheiratete Vater von sechs Kindern, hätte kein noch so großer Unterschied die innige Zuneigung, die die beiden füreinander hegten, schmälern können. Als einziger Sohn war Carmine seit seinem dreizehnten Lebensjahr vaterlos aufgewachsen, der verwöhnte Liebling einer verwitweten Mutter und vier älterer Schwestern, ohne dass ihm ein männliches Vorbild im täglichen Überlebenskampf half, bis der zweiundzwanzigjährige Patrick in sein Leben trat und diese Lücke füllte. Es war jedoch keine väterliche Beziehung, sie fühlten sich eher wie Brüder.
    Als amtlicher Leichenbeschauer sowie auch als Rechtsmediziner hatte Patrick es geschafft, die meisten seiner Gerichtsverpflichtungen auf dem Rücken seines Vertreters GustavusFennel abzuladen, der es liebte, bei Gericht aufzutreten und einen ununterbrochenen Kleinkrieg mit Euer Ehren Douglas Thwaites zu führen, Hollomans übellaunigem Richter am Amtsgericht. Patrick war vollkommen von der neuen Kriminalwissenschaft gefesselt und hielt seine Abteilung ständig auf dem Laufenden, was die aktuellen Entwicklungen in dieser launischen Disziplin betraf, mit seinen Blutgruppen, Haaren, Fasern und allem, was ein Krimineller als Signatur hinterließ. Es hatte ihm ständig Kopfschmerzen bereitet, dass ihm die Mittel fehlten, analytische Geräte zu kaufen, doch im Kielwasser der Auflösung des medizinischen Forschungsinstituts, besser
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