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Zu viele Morde

Zu viele Morde

Titel: Zu viele Morde
Autoren: Colleen McCullough
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Seiten. Tom war planlos und unordentlich, wohingegen Evan Pugh geradezu pedantisch war. Selbst die Notizzettel an der Pinnwand waren ordentlich imWinkel ausgerichtet. Eine kurze Durchsicht ergab keinerlei Hinweise, warum er ermordet worden war; es waren nur Merkzettel, die Wäsche am soundsovielten aus der Reinigung abzuholen sowie Briefmarken, neue Socken und Briefpapier zu kaufen. Die Fotos waren alle von wärmeren Orten als Holloman – Palmen, leuchtend bunte Häuser, Strände. Und ein Haus, vor dem ein Mann und eine Frau in Abendkleidung standen, die wohlhabend wirkten.
    Als der Schreibtisch nichts mehr hergab, ging Carmine, um mit Tom Wilkinson zu sprechen, der kläglich auf der Kante seines Bettes saß. Er unterschied sich ganz erheblich von Evan Pugh, das zeigte schon ein kurzer Blick: hochgewachsen, auf diese blonde Art gutaussehend, sportlich, mit großen, blauen Augen, die Carmine mit einer Mischung aus Angst, Entsetzen und Neugier anstarrten. Nicht die Augen eines Bärenfallen-Mörders, entschied Carmine. Der junge Mann war billig gekleidet – weder in Kamelhaar noch in Kaschmir.
    Wilkinson versuchte, ohne zu stammeln, seine Geschichte von dem Blut, das unter Evans Kammertür heraussickerte, vorzubringen, und wie er Evans rief, keine Antwort bekam und dann die Tür öffnete. Ab da wurde es für ihn schwieriger, logisch zu bleiben, doch Carmine gab ihm Zeit, sich zu erholen, und erfuhr dann, dass Tom weder lange drinnen geblieben noch die Sauerei untersucht hatte. Einige der Medizinstudenten aus den ersten Semestern, denen oft ein Hang zum Makaberen anhaftete, hätten das vielleicht getan. Wenn er das Geld gesehen hatte, so erwähnte er es zumindest nicht, und Carmine nahm an, dass er es nicht bemerkt hatte. Dieser Student kratzte all sein Geld zusammen, um am Paracelsus bleiben zu können, und wäre sicherlich schwer in Versuchung geraten, das Paket zu klauen, bevor irgendjemand anderes es registriert hätte. An seiner Kleidung waren keine Blutspuren, und er war um die Pfützeaus Blut herumgegangen, als er die Kammer betrat. Auf dem Weg hinaus war er weniger vorsichtig gewesen, aber der Typ, der ihn zurück zu seinem Zimmer begleitet hatte, hatte ihm die Turnschuhe abgenommen, erklärte er und wackelte durch die Löcher in seinen Socken mit den Zehen. Die Turnschuhe wären ganz neu, und sie würden ihm fehlen, also versprach Carmine ihm, er bekäme sie so schnell wie möglich wieder.
    »Mochten Sie Ihren Zimmergenossen?«, fragte Carmine.
    »Nein«, sagte Tom unverblümt.
    »Warum nicht?«
    »Ach, meine Güte, er war so ein
Waschlappen

    »Sie wirken gar nicht so wie jemand, der andere schnell verurteilt, Tom.«
    »Bin ich auch nicht, Captain, und ich komme auch mit einem Waschlappen klar, wenn es ein ganz normaler Waschlappen ist. Aber das war Evan nicht. Er war so – von sich eingenommen! Ich meine, selbst klatschnass wog er höchstens fünfundvierzig Kilo und hatte ein Gesicht wie Miss Prissy aus dem Foghorn Leghorn Cartoon. Aber er fand nicht, dass er merkwürdig aussah. Wenn man ihn sprechen hörte, vermittelte er den Eindruck, als ob Typen, die so aussahen wie Miss Prissy, genau das waren, was die Welt brauchte. Er hatte ein so dickes Fell, dass nicht mal eine Panzerfaust es eindellen konnte.«
    »Wie war er im Unterricht? Hatte er gute Noten?«
    »Überall A-plus«, sagte Tom niedergeschlagen. »Er war Klassenbester und hat selbst besser gezeichnet als der Rest von uns. Uns gingen seine Zeichnungen des Kranialnervs eines Dornhais oder eines Augapfels von einem Ochsen, die hochgehalten wurden, damit alle sehen konnten, wie anatomische Zeichnungen auszusehen hatten, langsam tierisch auf den Sender. Mann, er war eine Nervensäge! Es wäre ja alles in Ordnunggewesen, wenn er es uns nicht andauernd unter die Nase gerieben hätte, besonders Typen wie mir, mit einem Stipendium. Ich meine, ich werde wahrscheinlich zur Army oder der Marine gehen müssen, um von den Schulden wieder herunterzukommen.«
    »Hat er die Gesellschaft seiner Kommilitonen gesucht?«
    »Himmel, nein! Evans hat schräge Sachen gemacht, zum Beispiel nach New York zu fahren, um sich eine Oper oder ein Theaterstück anzusehen. Er hat nie einen Avantgarde-Film der Chubb Film Society verpasst, hat Karten zu Wohltätigkeitsbanketts gekauft oder zu einem dieser Vortragsabende in einem Country Club, wenn irgendein arschkriechender Politiker eine Rede gehalten hat – total schräg. Danach hat er uns vollgesülzt, als wären wir
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