Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu Schnell

Zu Schnell

Titel: Zu Schnell
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
mehr redete und Dad mich geschlagen hatte. Das war immer noch besser, als so zu leben, wie ich nun lebte. Ich wollte nach Hause, aber es war zu spät. Bestimmt ließen sie mich gar nicht mehr rein, nach allem, was ich getan hatte.
    Ich fand eine gute Stelle bei ein paar Büschen und legte meine Tasche hin, damit ich sie wieder wie in der Nacht vorher als Kopfkissen nehmen konnte. Als ich mich auf den Boden legen wollte, kippte ich um und krachte mit dem Arm gegen einen Baumstamm. Ich wollte aufstehen, aber es ging nicht – meine Beine funktionierten nicht mehr. Mein Arm blutete, tat aber gar nicht weh. Je länger ich darauf starrte, desto schwindeliger wurde mir. Vor meinen Augen verschwamm alles, die Bäume, die Büsche, der ganze Park – bis ich nicht mehr wusste, wo ich war. Ich hatte das Gefühl, als würde der Park immer kleiner und kleiner und kleiner, gleich würde er mich erdrücken, und dann war alles aus. Dann war ich tot, oder ich lag vielleicht im Koma, wie der Junge, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern konnte. Damit nicht mehr alles so unscharf war, riss ich die Augen ganz weit auf, aber davon bekam ich nur noch schlimmere Bauchschmerzen.
    Ich stieß einen lauten Schrei aus und krümmte mich fest zusammen, um den Schmerz zu unterdrücken. Wenn ich aufstehen könnte, würde ich mich bestimmt besser fühlen, aber jedes Mal, wenn ich versuchte, auf die Füße zu kommen, machten meine Beine schlapp, und ich fiel wieder hin. Bei meinem letzten Versuch landete ich ganz blöd auf dem Rücken. Da blieb ich einfach liegen und starrte hinauf in den Himmel. Ich wollte gar nicht mehr aufstehen, sondern nur so daliegen und mich nicht rühren, bis mich jemand fand. Auch wenn ich vielleicht sterben würde.
    Ich beschloss, die Augen zu schließen, und alles wurde schon dunkel – doch genau in dem Moment, als ich die Augen zumachte, geschah etwas ganz Seltsames. Es war, als stünde jemand über mir und würde meinen Namen sagen, aber ich hatte keine Ahnung, wer es war, und dachte, es sei nur Einbildung.
    Dann beugte sich die Gestalt zu mir herunter, und ich merkte, dass jemand seine Arme unter mich schob. Ich wurde vom Boden hochgehoben, und nichts tat mir mehr weh, weil ich gar nichts mehr spürte. So fühlt es sich also an, wenn man stirbt, dachte ich, das ist der Moment des Todes. Aber so ganz sicher war ich mir nicht. Ich nahm meine ganze Kraft zusammen, um die Augen ein letztes Mal zu öffnen, weil ich sehen wollte, wer es war. Ich musste doch wissen, wer mich gefunden hatte und mich jetzt aus dem Park trug. Ich wollte sehen, wer mir das Leben rettete! Als ich die Augen endlich aufkriegte, da wusste ich gleich, wer es war. Ich versuchte, mit ihm zu reden, aber meine Stimme gehorchte mir nicht. Ich brachte nur ein einziges Wort heraus. Es klang wie ein jämmerliches Krächzen und gar nicht wie ich. Nachdem ich es gesagt hatte, klappte ich die Augen wieder zu, und alles wurde schwarz.
    »Pete«, sagte ich.

Kapitel 11
    Und dann, eines Morgens, wachte Andy auf. Völlig unerwartet.
    Eine Krankenschwester kam in sein Zimmer, um nach ihm zu sehen, und da lag er mit offenen Augen und war hellwach. Er wollte wissen, wo er war und warum und was er da machte, und er fragte nach seiner Mam und nach seinem Dad. Wir saßen gerade beim Frühstück in der Küche, als das Telefon klingelte. Dad ging raus und nahm ab, und als er wieder zu uns kam, war er schneeweiß, und wir hatten alle keine Ahnung, was los war. Er ging zu Mam, die sicher auf das Schlimmste gefasst war, doch er nahm sie in den Arm und sagte, alles sei okay, Andy sei wieder wach, Andy liege nicht mehr im Koma, und er werde nicht sterben. Da fing Mam an zu weinen, aber nicht so wie sonst jetzt die ganze Zeit. Sie weinte, weil alles vorbei war und weil Andy wieder gesund werden würde.
    Es war der erste Morgen nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus. Ich war dort hingebracht worden, als Pete mich im Park gefunden hatte, und musste sechs Nächte bleiben, weil der Arzt sagte, es bestehe die Gefahr einer Lungenentzündung. Außerdem sei ich dehydriert. Ich erinnere mich nicht an besonders viel aus diesen Tagen in der Klinik, außer dass ich in meinem Krankenhausbett aufwachte und wahnsinnigen Hunger hatte. Ich bekam aber immer nur kleine Portionen, weil es hieß, sonst würde mein Körper einen Schock kriegen. Und alle waren da und passten auf mich auf: Pete, Dad und sogar Mam. Die ganze Familie war wieder zusammen.
    Zu Hause sollte ich den ganzen Tag
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher