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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde
Autoren: Marcia Muller
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»›Messer um Mitternacht‹. Diese Worte hast du auf dem
Anrufbeantworter von Troy Winslip hinterlassen. ›Messer um Mitternacht‹. Das
stand auch in den Nachrichten an mich. Du musst wirklich total verrückt sein,
diesen Fehler gleich zweimal zu begehen. Verrückt und blöd. Ein saublöder Typ
—«
    Dominguez schoss von seinem Stuhl hoch,
packte mich an der Kehle, riss mich halb über den Tisch. Ich griff nach seinen
Fingern, wollte seine eiserne Umklammerung lösen.
    »¡Cono!«, brüllte er. »So redest du nicht mit
mir! Ich bin nicht blöd! Ich bin nicht verrückt! Ich habe alles geplant. Ich
habe —«
    Hinter mir flog die Tür auf, zwei
Mitarbeiter des Sheriffs stürzten herein, zogen ihn von mir weg und
überwältigten ihn. Ich taumelte rückwärts, griff mir an die Kehle und rang um
Atem. Eine Psychologin nahm mich am Arm und führte mich zu einem Stuhl.
    »Alles in Ordnung?«
    Ich nickte und sah zu, wie sie
Dominguez aus dem Raum zerrten. Er bedachte mich mit dem gleichen Blick wie
damals im Gerichtssaal von San Diego. Vermutlich würde ich ihn noch einmal
abbekommen, wenn man ihn schließlich für eins oder mehrere seiner Verbrechen
verurteilte.
    »Möchten Sie darüber sprechen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Schon gut, Sie haben traumatische Erlebnisse
hinter sich, da fällt es einem manchmal schwer, seine Gefühle zu artikulieren.
Falls Sie irgendwann darüber reden möchten... « Sie wühlte in ihrer Handtasche.
    Guter Gott, jetzt gibt sie mir ihre
Visitenkarte! Wenn ich anfange, über alle Traumata zu reden, die ich
durchgemacht habe, kann ich den Rest meines Lebens auf der Couch verbringen!
    »Vielen Dank, aber ich hätte lieber ein
Glas Wasser.«

Samstag, 9. August

 
     
     
     
     
    Hy flog mit der Two-Seven-Tango einen
Looping hoch über den Teichbinsensümpfen von Los Alegres. Ich schloss die Augen
und genoss die Orientierungslosigkeit, die man empfindet, wenn man blind
fliegt. Sooft ich es auch erlebte, glaubte ich doch immer wieder, Höhe,
Flugposition und Richtung genau zu kennen — und war überrascht, wenn ich sah,
wie gründlich ich mich geirrt hatte.
    In der Luft ist Orientierungslosigkeit
eine schöne Sache. Erst auf dem Boden wird sie heikel.
    Zum Glück verlief mein Leben wieder in
mehr oder weniger geordneten Bahnen. Reynaldo Dominguez war für
zurechnungsfähig befunden und wegen des Angriffs auf mich angeklagt worden.
Alex Aguilar wurde in einem Vorort von San Diego gestellt, und sein Anwalt
hatte einen strafmildernden Deal ausgehandelt, falls er in mehreren Fällen
gegen Dominguez aussagte. Die Verlockung, als Zeuge aufzutreten, wuchs noch
beträchtlich, als Aguilar erfuhr, dass Johnny Duarte laut Harriet Leonard seine
Drogen über den Laden am Ghirardelli Square importiert hatte.
    Julia war vollständig rehabilitiert und
machte Überstunden, um die Voraussetzungen für ihre Prüfung als
Privatermittlerin zu erfüllen. Ich zahlte Derek Ford ein Honorar und hatte
Patrick Neilan fest angestellt. Ted suchte noch immer nach der Königin der
Klarsichthüllen. Das BSIS hatte die Beschwerde gegen mich unter dem Stapel des
kleinen Bürokraten hervorgezogen und zerrissen. Das Leben war schön. Selbst
Ralphs Gesundheitszustand hatte sich gebessert. Die Tierärztin sagte mir, die
aktuellen Glukosewerte zeigten, dass er auf das Insulin anspräche.
    Doch nun flogen Hy und ich übers
Wochenende nach Touchstone, und bei dieser Gelegenheit würde er sicher wieder
auf das Thema Heirat kommen. Ich hatte noch immer keinen Schimmer, was ich ihm
antworten sollte.
    Ich öffnete die Augen. Wir waren im
Steigflug, verließen den Luftabschnitt, der für Kunstflugübungen ausgewiesen
war, und flogen weiter nach Nordwesten, nachdem wir die Maschine richtig auf
Trab gebracht hatten. Hy hatte mein Leben in so vieler Hinsicht bereichert: mit
der Fliegerei, die wir beide liebten; den fernen, wunderschönen Orten, die er
mir zeigte; vor allem aber mit seiner Liebe, seiner Unterstützung, seinem
Verständnis. Warum also hatte ich Angst — ?
    »McCone«, sagte er durch die
verbundenen Kopfhörer, »ich kann mir dafür keinen besseren Ort vorstellen als
hier oben in unserem Flugzeug. Vielleicht bringt es mir Glück. Zum hundertsten
Mal: Willst du mich heiraten?«
    Wieder und wieder hast du deine
Sicherheit riskiert. Sogar dein Lehen.
    Warum nicht mal das Glück riskieren?
    Das Wort entschlüpfte mir, bevor ich
mit mir selbst diskutieren konnte. »Ja.«
    Orientierungslosigkeit in der Luft.
Wunderbare
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