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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde
Autoren: Marcia Muller
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auch nicht gesagt, wo er heute Nacht Wachdienst schob.
    Vorsichtshalber hinterließ ich auf
seinem Anrufbeantworter eine Nachricht.
    Und fuhr nach Marin County.

Donnerstag, 24. Juli

 
     
     
     
     
    Dichter Nebel quoll durchs Golden Gate,
doch auf Höhe von Sausalito waren davon nur dünne Fetzen übrig geblieben. Der
Verkehr floss stetig, und ich sauste dahin, wobei ich nach Polizeistreifen
Ausschau hielt. Nördlich von San Rafael kurbelte ich das Fenster herunter. Ließ
den süßen Duft einer warmen Sommernacht herein.
    Etwa eine Viertelstunde später
entdeckte ich die Parkeinfahrt und machte eine Kehrtwende. Folgte der
Zufahrtsstraße bis zu dem Tor und parkte rechts davon. Dort stand ein weiterer
Wagen, ein uralter VW-Bus. Ich stieg aus, nahm meine Taschenlampe und
überprüfte das Kennzeichen: Es war der Wagen, dessen Zulassung Jeffers nicht
verlängert hatte.
    Ich sah auf die Uhr. Siebzehn Minuten
nach eins und keine Spur von Craig und Adah. Ich rief bei ihnen zu Hause an,
der Anrufbeantworter meldete sich. Das Gleiche am Pier.
    Vermutlich war Craig noch in San Luis
Obispo, aber was trieb Adah donnerstags nachts um diese Zeit? Sicher nichts
Dienstliches, das hätte der Beamte, mit dem ich gesprochen hatte, erwähnt.
    Dann fiel es mir ein: Sie war zum
Junggesellinnenabschied einer Kollegin eingeladen, die am Samstag heiratete.
Das konnte dauern.
    Und Patrick? Wenn er die gleiche
Schicht wie gestern arbeitete, würde er nicht vor dem frühen Morgen zu Hause
sein. Ich könnte die Sicherheitsfirma anrufen und mich erkundigen, wo er Dienst
hatte, aber bis ich ihn erwischte...
    Gut, ich war also auf mich gestellt.
Nicht zum ersten Mal.
    Und ich musste Dan Jeffers erwischen,
bevor er wieder abtauchte.
    Am sternenklaren Himmel hing eine
schmale Mondsichel — der Lichtschein der Städte entlang des Highway 101 war
weit entfernt. Hier war es kühler, der Wind strich über die zahlreichen
Gewässer und die Teichbinsensümpfe, die sich nach Osten bis zur San Pablo Bay
erstreckten. Die Piloten aus der Gegend nannten ihn den »gefürchteten
Seitenwind«, und an raueren Tagen mussten sie bei Landungen auf dem
benachbarten Gnoss Field ihr ganzes Können unter Beweis stellen.
    Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke
zu, klappte den Kragen hoch und ging um das Eisentor herum. Die Taschenlampe
hielt ich auf den Weg vor mir gerichtet. Die Straße gabelte sich vor einem Baum
am Rand des geometrisch ausgelegten Gartens. Eine Abzweigung führte zum
Besucherparkplatz, die andere geradewegs in den Park. Ich nahm den Weg zum Park
und tastete mich den Hang hinunter in den Garten. Ich bewegte mich langsam, um
den Löchern der Taschenratten und herumliegenden Ästen auszuweichen. Die Bäume
über mir rauschten im Wind, ein Nachttier huschte ins Gebüsch. Ich roch Lorbeer
und etwas Prickelndes.
    Ein kleines Flugzeug startete von Gnoss
Field. Ich sah hoch, erspähte durch Palmwedel die roten und weißen
Blinklichter. Das Geräusch erstarb in der Ferne, und ich vernahm nur noch ein
Murmeln und Wispern, das an die Wellen in der Höhle bei Touchstone erinnerte.
Autoreifen auf dem Highway, ganz schwach. Mit geschlossenen Augen hätte ich
mich am Meeresufer gewähnt.
    Ich durchquerte den ganzen Garten,
vorbei an den steinernen Stufen und der dunklen, zerfurchten Silhouette des
leeren Brunnens. Dann kroch ich den Hang neben der Brücke hinauf, die den
kleinen Bach überspannte, überquerte den Weg und eilte in den Schutz der Bäume.
Ein schriller Vogelruf ließ mich zusammenfahren.
    Hinter mir leuchteten kleine
Sicherheitslampen an dem alten Backsteinhaus, doch das gelbe Gebäude dahinter
war dunkel. Ray Rios hatte gesagt, es gebe keine Patrouillen nach Mitternacht,
doch ich schirmte vorsichtshalber meine Taschenlampe ab und hielt mich im
Dickicht, um kein Aufsehen zu erregen. Nachdem ich am Pferdestall vorbei war,
entdeckte ich die Straße, die zu den weiter entfernten Unterkünften der
Parkmitarbeiter führte. Dort glomm ein schwaches Licht, und ich sah
Scheinwerfer auf dem dahinter liegenden Highway.
    Ich bog um eine Kurve und entdeckte die
Umrisse der verfallenen Molkerei, daneben die Kühlräume. Alles war finster. Ich
hielt kurz inne, suchte nach Zeichen menschlicher Gegenwart, meinte rotglühende
Asche zu Boden fallen und verlöschen zu sehen, als hätte jemand eine Zigarette
ausgetreten. Rauchte Rios? Keine Ahnung. Aber Jeffers.
    Falls es Jeffers war, konnte ich nicht
riskieren, mich bemerkbar zu machen und ihn zu verscheuchen. Also
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