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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde
Autoren: Marcia Muller
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flammende
Linie schoss über den Boden.
    Dominguez feuerte drauflos, ein
ohrenbetäubender Lärm in dem kleinen Raum. Die Kugel bohrte sich über mir in
die Wand, Betonbrocken regneten herab. Das Feuer zischte noch einmal und
erlosch. Alles war dunkel.
    Ich stand vor der Tür, bevor er erneut
schießen konnte. Stolperte auf der ersten Stufe und fiel gegen den Holzstapel. Bretter
polterten zu Boden, ich prallte hart auf. Meine linke Seite tat weh, aber ich
kam hoch und stürzte ins hohe Gras, hin zu der Straße, die zu den Unterkünften
führte. Hinter mir stolperte Dominguez fluchend über die Bretter.
    Ich hoffte, dass jemand in den
Unterkünften den Schuss gehört hatte. Doch alles war dunkel, nichts regte sich.
Natürlich, die dicken Wände des Kühlraums hatten das Geräusch gedämpft, auf
eine halbe Meile Entfernung klang es vermutlich wie eine Fehlzündung auf dem
Highway.
    Ich hatte etwa dreißig Sekunden
Vorsprung, doch Dominguez rannte vermutlich schneller als ich. Die Unterkünfte
waren zu weit weg, und der Weg dorthin führte über offenes Gelände, wo ich ein
gutes Ziel abgeben würde. Meine Seite brannte wie Feuer. Ich würde es nie bis
dorthin schaffen.
    Führ ihn in die Irre.
    Ich glitt zwischen zwei der alten
Ranchgebäude jenseits des Weges. Die Taschenlampe steckte noch in meiner Jacke.
Ich schirmte sie ab und leuchtete kurz auf den Boden. Hinter der Schmiede lag
ein Haufen Zeug herum — Betonbrocken, Holzstücke, verbogenes Eisen. Ich wollte
die Lampe wieder einstecken, ließ sie fallen, sie rutschte weg und ging aus.
Ich fand sie nicht wieder.
    Dafür entdeckte ich einen große
Betonbrocken und bückte mich danach, wobei ich die Zähne zusammenpresste, weil
meine linke Seite so wehtat. Ein Stück weiter erspähte ich den riesigen
Lorbeerbaum am Rand des Abhangs. Ich schleppte den Brocken bis dorthin, hob ihn
hoch und schmetterte ihn gegen den Baum. Er zerbrach, die Teile kollerten den
Hang hinunter. Ich schrie auf.
    Dominguez rannte in die Richtung. Ich
glitt um das Cottage hinter der Schmiede, lief rasch über die Straße und um den
Pferdestall herum zum geometrisch angelegten Garten. Es würde eine Weile
dauern, bis Dominguez merkte, dass ich nicht in die Schlucht gestürzt war. Ich
grub in meiner Tasche nach dem Handy, wählte den Notruf. Kein Empfang. Scheiße!
    Bloß keine Panik. Die Nacht war klar,
ich konnte mich an den Lichtern des alten Backsteinhauses orientieren. Bald
würde ich in meinem Wagen sitzen und irgendwohin fahren, wo das Handy
funktionierte. Oder mir einen Dinosaurier des Kommunikationszeitalters suchen —
ein Münztelefon.
    Ich versuchte, mich im Schatten zu
halten, und ärgerte mich dabei, dass ich auf Dominguez’ Trick hereingefallen war.
Der Grund waren meine Ungeduld und der verzweifelte Wunsch, die Sache zum
Abschluss zu bringen, bevor noch jemand verletzt wurde. Aber ich hatte mich
verdammt dumm verhalten, und die Gefahr war noch nicht vorüber.
    Als ich die Brücke im Garten erreichte,
schlitterte ich den Hang hinab und eilte in Richtung Ausgang. Überall Laub und Zweige,
die unter meinen Füßen knackten und raschelten. Mehrmals blieb ich stehen und
lauschte auf Schritte. Prüfte das Handy, nichts. Ich umrundete gerade den
Brunnen, als ich ihn nah bei mir flüstern hörte. Zu nah.
    »Wo bist du, puta ?«
    Ich kämpfte gegen die Panik an, duckte
mich hinter den Brunnenrand. Als ich hinüberspähte, sah ich ihn oben an der
Steintreppe stehen. Er war nicht auf den Trick mit dem Beton hereingefallen. Hatte
vorausgeahnt, wohin ich laufen würde...
    Ich würde es nie bis zum Parkplatz
schaffen, auch diese Strecke war zu offen und ungeschützt. Versteck dich.
    Los!
    Dominguez stand zwischen mir und dem
Backsteinhaus samt Nebengebäuden. Ich schaute am Brunnen empor. Die Räume
zwischen den Steinen waren groß genug, um einem Erwachsenen Schutz zu bieten.
In einiger Höhe entdeckte ich eine Art Höhle, die mir vorteilhaft schien.
    Ich rollte mich über den Rand, ließ
mich leise ins trockene Becken hinuntergleiten. Laub raschelte unter meinen
Füßen, als ich zu der riesigen, dunklen Steinmasse in der Mitte schlich. Ich
zog mich an den rauen Steinen empor und kletterte zu der Öffnung, die ich
entdeckt hatte. Weißglühender Schmerz schoss durch meine Seite. An den Steinen
riss ich mir einen Nagel ein. Endlich war ich oben und rutschte durch die
Öffnung.
    Sicher. Fürs Erste.
    Dominguez war näher gekommen. Ich
hörte, wie Zweige unter seinen Füßen brachen. Ich kauerte
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