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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde
Autoren: Marcia Muller
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Marin County,
Adah und weitere Kriminalbeamte aus San Francisco und Los Alegres.
    Wie alle Gefangenen, die sich
juristische Kenntnisse angeeignet hatten, wusste auch Dominguez, dass wir
beobachtet wurden und unser Gespräch vermutlich auch aufgezeichnet wurde. Er
machte seine Sache gut, brabbelte vor sich hin und lachte, ließ seine Blicke
ziellos durch den Raum schweifen, sah mir nicht in die Augen. Der Ermittler des
Sheriffs, der für den Fall zuständig war, hatte ihn hereingeführt und gefragt,
ob er seinen Pflichtverteidiger dabeihaben wolle. »Scheiß drauf«, hatte dieser
geantwortet und begonnen, auf Spanisch vor sich hin zu murmeln. Und seither
nicht damit aufgehört.
    Nachdem dieses Treffen definitiv
beschlossen war, hatten Adah und ich gestern Abend einen Fragekatalog für mich
erstellt. Der Gedanke dahinter war, Dominguez chronologisch seine Taten
vorzutragen und eine Reaktion oder einen Gefühlsausbruch zu provozieren, die
bewiesen, dass er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Bislang hätte ich
allerdings ebenso gut mit einer spanischen sprechenden Elster reden können.
    Trotz seines Gebrabbels merkte ich
jedoch, dass Dominguez’ Verhalten gespielt war. In seinen kalten Augen
flackerte eine gewisse Befriedigung auf. Er wusste genau, was ich vorhatte, und
wieder genoss er es, mich herauszufordern und zu besiegen. Diesmal benutzte er
sein irres Gemurmel als Waffe.
    Ich sah auf die Uhr. Man hatte mir eine
Stunde eingeräumt, und die Zeit lief mir allmählich davon. Zum Teufel damit,
dachte ich und wich von den besprochenen Fragen ab.
    »Sag mal, Dominguez, was hattest du in
der Nacht im Park eigentlich mit mir vor?«
    Seine Augen zuckten, was die anderen
nicht sehen konnten, aber ich spürte, dass ich seine volle Aufmerksamkeit
genoss.
    »Du willst es mir doch sagen. Ich weiß
genau, dass du es willst.«
    Er lachte, murmelte etwas Spanisches. Coño. Fotze.
    Ich kritzelte es auf meinen Block, den
ich dabei mit der Hand abschirmte.
    Dominguez sah mich misstrauisch an und
rutschte auf dem Stuhl herum, um auf den Block zu linsen. Ich kritzelte
sinnloses Zeug. Sein Mundwinkel zuckte.
    »Na ja, ich ahne es schon«, sagte ich.
»Zuerst wolltest du mich nur beruflich ruinieren, aber als du begriffen hast,
dass ich dich erkannt hatte, sah die Sache anders aus. Ich sollte sterben,
zuerst aber richtig leiden.«
    » Vete al carajo, coño.«
    Er sagte, ich solle mich selber ficken,
aber das Leuchten seiner Augen bestätigte meine Annahme.
    »Du magst keine Frauen, Dominguez,
was?«
    »No me jodas.«
    Verarsch mich nicht.
    »Solche Wörter gefallen dir, was? Puta.
Coño. Carajo. Sie sind obszön und erniedrigen die Frau, zu der du sie
sagst. Sprechen wir doch mal über andere Wörter oder Handlungen, die dir
gefallen. Humiliación. Tortura. Violación. Homicidio. Demütigung.
Folter. Vergewaltigung. Mord. Taten eines Feiglings, der sich im Grunde vor
Frauen fürchtet.«
    Seine Augen funkelten vor Zorn, doch er
rührte sich nicht.
    Mach weiter.
    »Das hattest du also für mich geplant.
Keine Ahnung, wie du damit durchkommen wolltest. Hätte man mich tot
aufgefunden, hätten alle in der Agentur gewusst, dass du es warst, der mich
umgebracht hat. Und sie hätten es beweisen können. Es gibt Zeugenaussagen und
Phantombilder. Eine Mordermittlerin vom San Fransisco Police Department hat
unsere Fortschritte die ganze Zeit mitverfolgt. Du hast eine Menge Fehler
gemacht, Dominguez. Hast Alex Aguilar in die Sache hineingezogen — einen
Schwächling. Die Polizei wird ihn früher oder später finden, dann bricht er
zusammen und packt aus. Du hast Leuten Angst eingejagt — Angela Batista verprügelt,
auf Mick Savage geschossen — und damit die Aufmerksamkeit auf dich gelenkt. Du
hast drei Menschen getötet, hinzu kommt ein weiterer Mordversuch. Du täuschst
Geisteskrankheit vor, das aber nicht sonderlich gut, die Seelenklempner haben
dich praktisch durchschaut. Und letztlich wird die Polizei zwingende Beweise
finden, die dich mit all diesen Verbrechen in Verbindung bringen. Dann
schließen sie dich für den Rest deines jämmerlichen Lebens weg. Oder verpassen
dir die Todesspritze.«
    Seine Hände umklammerten den Tisch.
    »Wenn du dir mal ehrlich ansiehst, was
du getan hast, musst du doch zugeben, dass du schlicht und einfach dumm gewesen
bist. Oder total verrückt.«
    Er blähte die Nasenlöcher, ein Knurren
drang aus seiner Kehle.
    Jetzt hab ich ihn.
    Ich stand auf, beugte mich über den
Tisch und sagte sanft:
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