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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
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waberten, nahmen bizarre Formen an. Diejenigen Schiffe, die noch über alle Masten verfügten und gerade nicht in ein Gefecht verwickelt waren, hielten inzwischen auf die jeweiligen Flaggschiffe zu.
    »Sir?«, sagte Archer und deutete in nördliche Richtung. »Ist das eins von unseren Schiffen?«
    Weitab vom Zentrum der Schlacht lag ein Dreidecker ohne Masten und driftete nach Nordost ab. Hayden sah das Schiff rasch vergrößert im Fernrohr.
    »Wo ist Mr Barthe?«, rief er schließlich.
    »An der Fock, Sir«, meldete Gould. »Er kümmert sich um die Reparaturen am Rigg.«
    Hayden ließ das Glas sinken und reichte es dem Midshipman. »Laufen Sie zu ihm, wenn ich bitten darf, Mr Gould, und fragen Sie ihn, ob er jenes Schiff dort draußen kennt.«
    »Ja, Sir.«
    Gould kletterte über die Leiter nach unten und bahnte sich zwischen all den Matrosen seinen Weg zur Fock. Hayden versuchte, die manövrierunfähigen Schiffe zu zählen, aber da immer noch Gefechte tobten, waberten nach wie vor zu viele Pulverwolken über dem Wasser.
    »Kapitän Hayden, Sir«, rief Gould als er wieder aufs Poopdeck eilte, das Fernrohr unterm Arm. »Mr Barthe meint, es sei die Queen , Sir.«
    »Weiß der König denn, dass die Königin Umgang mit Seeleuten hat?«
    Bei dem Klang der vertrauten Stimme drehte sich Hayden um und sah, wie Hawthorne ein wenig ungelenk an Deck stieg, schwer auf Doktor Griffiths’ Gehstock gestützt. Seine weißen Breeches hatten sich rot verfärbt.
    »Mr Hawthorne, mir scheint, Sie sind verwundet, Sir«, stellte Hayden nüchtern fest.
    »Eine Musketenkugel wollte in mein Bein. Mr Smosh hat alles sehr schön verbunden. Schauen Sie, ich tropfe kaum noch. Der Doktor holt die Kugel zu einem späteren Zeitpunkt raus. Vielleicht schon morgen früh, wenn er sich nicht so vieler Angelegenheiten annehmen muss.«
    »Sollten Sie sich nicht besser in eine Koje legen?«, wollte Hayden wissen.
    »Ich denke, man braucht mich noch an Deck. Nur rennen kann ich im Augenblick nicht so gut. Aber wenn Sie mir eine Muskete in die Hand drücken und mir eine Ecke zeigen, in der ich mich anlehnen kann, dann werde ich bei einigen Franzosen das Ende ihrer Karriere einläuten, das können Sie mir glauben, Sir.«
    »Ich nehme Sie beim Wort, Mr Hawthorne. Mr Gould – holen Sie dem Hauptmann eine Muskete, wenn ich bitten darf.« Hayden deutete achteraus. »Sie könnten sich dort in der Ecke des Heckspiegels ein wenig anlehnen, Mr Hawthorne. Und falls Sie es wünschen, dort verfügen wir sogar über eine nette Bank.«
    »Haben Sie Dank, Sir.« Hawthorne tippte an die Stelle, an der sonst sein Hut saß, und humpelte zur Heckreling.
    Augenblicke später brachte der eifrige Gould eine Muskete samt Pulver und Kugeln. Der Junge hatte auch an Hawthornes Fernrohr gedacht, worauf der Hauptmann sich ausdrücklich bedankte.
    »Wissen Sie, Sir«, begann Archer, »die Franzosen sind dabei, eine Linienformation mit zehn oder elf Schiffen zu bilden. Lord Howe verfügt indes nur über fünf, höchstens sechs Schiffe, uns schon einberechnet, Sir.«
    »Sehen denn unsere Schiffe das Signal nicht? Schauen Sie.« Hayden schwenkte sein Fernglas. »Es wird von der Fregatte dort weitergegeben.«
    »In der Tat, Sir. Ich glaube, eine ganze Reihe unserer Schiffe ist damit beschäftigt, Prisen zu sichern.«
    »Prisen, die sie wieder verlieren werden, falls es den Franzosen gelingt, elf Schiffe gegen fünf auffahren zu lassen.«
    Hayden sah, dass sich die Queen Charlotte inzwischen auf die herannahenden Franzosen einstellte.
    »Alles bereitmachen, um vor dem Wind zu drehen, Mr Archer. Wenn es uns nicht gelingt, in der Linienformation dicht beim Flaggschiff zu sein, dann bilden wir die Nachhut.«
    Hayden beobachtete die Männer, die ihre Posten einnahmen. Die meisten waren völlig am Ende ihrer Kräfte. Erschöpfung fraß sich wie Gift in die Gliedmaßen, und jede Bewegung schien nur unter Aufbietung eines eisernen Willens möglich zu sein. Selbst die Gesichter der Offiziere waren bleich, falls man das bei all den Pulverspuren so bezeichnen konnte. Die Augen der Männer waren rot unterlaufen. Kaum eine Seele an Bord hatte in den zurückliegenden Stunden mehr als ein paar Stunden Schlaf am Stück gefunden. Die Aufregung vor dem Gefecht hatte noch einmal viele Männer beflügelt – auch die Angst –, doch inzwischen war die Crew ausgelaugt. Hayden machte sich bewusst, dass es um ihn selbst nicht viel besser bestellt war. Sein Geist war benebelt, es fiel ihm schwer, klare
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