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Zorn

Zorn

Titel: Zorn
Autoren: John Sandford
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in den Spiegel. »Ich glaube, meiner ist ziemlich groß.«
    »Ich würde sagen, durchschnittlich bis groß«, erklärte sie. »Aber jetzt lass mich noch eine Minute schlafen.«
    »Du findest ihn also groß«, beharrte er.
    »Durchschnittlich bis groß«, wiederholte sie. »Nun lass mich in Ruhe.«
    Lucas drehte sich ins Profil: eindeutig groß.
    Er stieg über seine Eishockey-Ausrüstung vor dem Bett, um sich frische Shorts und ein T-Shirt zu holen. Als er in das Shirt schlüpfte, setzte sich DeeDee auf und sagte: »Eins steht fest: Dein Körper macht mich heiß.«
    »Mich auch«, erwiderte Lucas und ließ die Handflächen über seine Brustwarzen gleiten.
    »Himmel.« DeeDee rieb sich das Gesicht. »Der Kerl spielt doch glatt mit seinen eigenen Titten.« Während sie ihm beim Anziehen zusah, leckte sie sich die Lippen und kratzte sich am Hintern.
    »Los, raus aus dem Bett«, forderte er sie auf. Ans Schlafzimmer angeschlossen war ein winziger Wandschrank, der schon längst zu klein war für seine wachsende Sammlung von Klamotten, so dass er in einem Secondhand-Möbelladen einen alten Kleiderständer aus Eichenholz hatte erwerben müssen. Davon nahm er nun eine saubere Uniformhose und ein Hemd. DeeDee stand auf und ging ins Bad, wo sie ihr Gesicht in dem Spiegel über dem Waschbecken betrachtete und bemerkte: »Irgendwie schau ich glücklich aus.«
    »Freut mich zu hören.«
    »Wenn Mark mich so sehen könnte …«
    »Wäre ich dann hier?«, fragte Lucas. Mark war ihr Mann; sie arbeitete als Scheidungsanwältin und erzählte manchmal von Marks Waffensammlung.
    »Das müsste ich mir stark überlegen«, antwortete sie, kehrte ins Schlafzimmer zurück und hob ihren Slip vom Boden auf. »Er ist aufbrausend. Du könntest mich beschützen. Würde mich total antörnen, wenn zwei Kerle sich um mich prügeln. Da käme ich mir vor wie eine Prinzessin.«
    »Dich törnt doch alles an, sogar einstweilige Verfügungen«, sagte Lucas. Sie wussten beide, dass das stimmte.
    »Andererseits«, erklärte sie, »schickt es sich für eine angesehene Scheidungsanwältin wie mich nicht, sich mit einem kleinen Cop erwischen zu lassen. Nicht mal dann, wenn er bloß einen durchschnittlichen Schwanz hat.«
    »Einen großen Schwanz.« Lucas sah noch einmal in den Spiegel: die Haare feucht, das Uniformhemd straff an den Schultern und locker an der Taille, die Hose frisch gebügelt. Frauen, sogar Hippie-Girls, mochten gebügelte Hosen, jedenfalls vermutete er das, denn sein Studium der Damenwelt war noch nicht abgeschlossen. »Du müsstest dich entscheiden, was dir lieber wäre: dich verprügeln zu lassen oder unschicklich zu wirken.«
    »Darüber denk ich lieber nicht nach«, erwiderte sie. »Prügel schmerzen immerhin nur vorübergehend.«
    Er drehte sich um, damit er ihr beim Anziehen zusehen konnte. Ihre Sachen hingen ordentlich über Kleiderbügeln aus Holz und an der Vorhangstange: Business-Kostüm, marineblauer Blazer und Rock über weißer Bluse, dicke Schulterpolster, schmale rote Krawatte. DeeDee hatte ziemlich breite, weibliche Hüften, und die Kombination aus Schulterpolstern und Hüften erinnerte von hinten ein wenig an eine Ente.
    Das erwähnte Lucas lieber nicht; so weit kannte er die Frauen schon.
    Stattdessen legte er seinen Dienstgurt an, nahm die Glock aus ihrem Holster und überprüfte sie. Er mochte das Ding nicht sonderlich – seiner Ansicht nach hatte es zu wenig Biss –, aber es war nun mal seine Dienstwaffe. Sobald er Detective wäre, würde er sich etwas Schickeres geben lassen. Vielleicht etwas Europäisches.
    DeeDee ging noch einmal ins Bad, warf einen Blick in den Spiegel, kam heraus und warnte ihn kokett: »Nicht küssen, sonst verschmierst du meinen Lippenstift.«
    »Am liebsten würde ich dich aufs Bett schmeißen und dir’s noch mal besorgen«, log Lucas. Sie war attraktiv, ja, und es fehlte ihr auch nicht an Begeisterung, aber er konnte es kaum erwarten, mit dem Wagen loszufahren. Er hatte gern in der Nacht Dienst, und diese Nacht würde interessant werden. Anfang August, die Straßen voller Leute und seit einer Woche ununterbrochen Hitze. »Vielleicht sogar zweimal.«
    »Spar dir’s auf«, sagte sie. »Ich muss los.«
    Lucas schob einen Finger zwischen die Lamellen der Jalousie und spähte hinaus: Der Himmel war blau und schimmerte feucht. Keine Spur von ihrem Mann.
    Lucas war seit drei Jahren bei der Polizei. Nach fünf Jahren Studium und vier Jahren Eishockey hatte er seinen Abschluss an der University of
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