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Zorn

Zorn

Titel: Zorn
Autoren: John Sandford
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Minnesota gemacht, Hauptfach amerikanische Kulturwissenschaft, was ihn, wie er ziemlich schnell merkte, nur zum Weiterlernen befähigte. Er spielte mit dem Gedanken, Jura zu studieren, aber Gespräche mit Studenten dieses Fachs ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass das Leben dafür zu kurz war.
    Einer seiner Professoren aus der Kulturwissenschaft riet ihm, sich über Jobs bei der Polizei zu informieren. »Mein Vater ist Polizist«, teilte der Professor ihm mit. »Ich glaube, das könnte dir gefallen. Mach das ein paar Jahre lang, und denk anschließend über ein Jurastudium nach.«
    Seine Mutter war dagegen. »Da wirst du erschossen, und dann habe ich niemanden mehr.«
    Sein Vater war an einem angeborenen Herzfehler gestorben, als Lucas die fünfte Klasse besuchte. Und bei seiner Mutter hatte man Brustkrebs diagnostiziert. Sie war fest davon überzeugt, dass das ihrem Todesurteil gleichkam.
    Lucas musste nach Recherchen in der medizinischen Bibliothek der Universität zugeben, dass sie wahrscheinlich recht hatte. Er versuchte, nicht zu oft daran zu denken, weil er nichts dagegen tun konnte.
    Den Krebs stoppen zu wollen, dachte er, war, als würde man sich in den Fluss werfen, um das Wasser aufzuhalten. Man konnte weinen, schreien, fordern, nachforschen oder beten, alles ohne Erfolg. Nur Leugnen und Ausblenden schienen zu helfen.
    Um sein eigenes Herz machte er sich keine Sorgen – soweit er wusste, hatte die Mutter seines Vaters in der Schwangerschaft Masern gehabt, was den Herzfehler erklärte, an dem dieser schließlich gestorben war. Die Sache war also nicht erblich.
    Lucas hatte sich an der Polizeiakademie eingeschrieben und war Klassenbester geworden – mit seinen Noten wäre er in jeder Klasse Bester gewesen. Dann war er ein paar Wochen lang Streife gefahren, hatte anschließend sechs Monate im Drogendezernat verbracht und war am Ende wieder im Streifenwagen gelandet.
    Drogen waren interessant, brachten jedoch nicht allzu viel Ermittlungsarbeit mit sich. Er hing hauptsächlich auf der Straße herum, ein Weißer in Lederjacke, der immer die neuesten Neuigkeiten im Collegesport kannte und Stoff kaufte und sich mit Dealern anfreundete. Die Dealer waren überall, und mit ihnen Kontakt aufzunehmen gestaltete sich nicht schwierig. Das Problem lag eher darin, dass er manche von ihnen gar nicht so übel fand, weil das Typen in seinem Alter waren, die keinen richtigen Job kriegen konnten. Sie besorgten ihm ein Kilo oder ein Pfund, dann die harten Sachen, und irgendwann flogen sie auf …
    Ihm roch das zu sehr nach Verrat. Man freundete sich mit Leuten an, kaufte Stoff von ihnen und ließ sie auffliegen. Der schlechte Beigeschmack trieb Lucas zurück in den Streifendienst, der einem Sportler wie ihm, einem Eishockeyverteidiger, Spaß machte und neue Erkenntnisse sowie das Gefühl mit sich brachte, etwas Sinnvolles zu tun.
    Doch nach drei Jahren hatte er genug davon. Entweder er wurde Detective, und zwar bald, oder er suchte sich etwas anderes.
    Was, wusste er selbst nicht.
    Jura oder so. Militär? Aber es waren keine anständigen Kriege in Sicht …
    Lucas wartete an die Kühlerhaube seines Streifenwagens gelehnt auf seinen Partner Fred Carter. Carter hatte das Briefing für die zweite Schicht verpasst, weil er angeblich im Stau stecken geblieben war. Doch er roch nach Hackfleischbällchen.
    »Was läuft?«
    »Das Übliche«, antwortete Lucas. »Homer ist sauer auf dich.«
    »Ich rede mit ihm. Ging nicht anders«, log Carter.
    »Du hast Tomatensauce am Mund«, sagte Lucas. »Wisch die lieber ab, bevor du mit ihm sprichst.«
    Carter, ein fleischiger Mann mit Stiernacken, sah aus wie ein Taxifahrer. Er hatte grobe Züge und Finger, und sein Bauch wurde immer größer. Obwohl es ihm nicht an Intelligenz mangelte, würde er es bei der Polizei zu nichts bringen. Das wusste er, und es war ihm egal. Zwanzig Jahre Dienst, dann wäre alles vorbei. Vierzehn hatte er schon hinter sich; jetzt konzentrierte er sich darauf, sich keine Verletzung zuzuziehen und seinen Wechsel in den Innendienst zu planen, um seine Pension aufzubessern.
    Diese Einstellung war der Hauptstreitpunkt zwischen ihm und Lucas: Lucas ließ sich gern auf die eine oder andere Prügelei und Verfolgungsjagden durch dunkle Hinterhöfe ein.
    »Mir ist es egal, wenn du dir eine blutige Nase holst, aber lass mich aus dem Spiel.«
    »Wir sind Cops«, sagte Lucas.
    »Wir sollen für Frieden in der Stadt sorgen«, knurrte Carter. »Versuch, Frieden zu geben,
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