Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein
Autoren: Mayer Gina
Vom Netzwerk:
stimmte, erkannte Mira. Die Welt war groß, und sie waren frei und hatten nichts zu verlieren.

Epilog
    Er wohnte jetzt in seinem eigenen kleinen Haus in Nördlingen, gleich hinter der Stadtmauer. Nachdem er den Zirkus verlassen hatte, hatte er es von seinem Ersparten gekauft.
    Der Mann, von dem er das Haus erworben hatte, war nicht von hier, er hatte das Gebäude geerbt, es kümmerte ihn nicht, was daraus wurde. Sollte der Zwerg es bekommen, sein Geld war so gut wie das eines anderen.
    Mirkos Haus hatte vier Zimmer, einen Dachboden, einen Keller, in dem Mäuse wohnten, einen Garten, in dem Rosen und Schnittlauch wuchsen, eine kleine Wiese, auf der er zehn Hühner hielt und zwei Gänse, weil er in einem von Marias Briefen an Chiara gelesen hatte, das auch Mirabella im Waisenhaus Gänse gehütet hatte.
    Er dachte jeden Tag an sie und an Maria. Im Grunde hatte er das Haus für sie gekauft. Es bot Platz für alle, ein Zimmer für Mirabella, ein Zimmer für Maria, ein Zimmer für Mirko, ein Zimmer, in dem sie gemeinsam essen, trinken, reden konnten.
    Er hegte sein Geflügel und pflegte seinen Garten. Die Eier verkaufte er mittwochs auf dem Markt. Sie waren eine Attraktion, die Zwergeneier, weil sie aus irgendeinem Grund ein bisschen größer waren als andere Eier. Man riss sie ihm förmlich aus der Hand. Das Geld, das er dafür bekam, tat er in eine Blechdose auf dem Küchenbord. Er brauchte es eigentlich gar nicht. Er lebte von seinen Ersparnissen und von seinen Erinnerungen.
    Sein eigentliches Leben hatte mit Madame Argent begonnen. Als er selbst noch aufgetreten war, hatte er sie eines Tages im Publikum gesehen, ernst und schwarz in der lachenden, bunten Menge. Er hatte ihren Kummer gespürt, ihre Einsamkeit, ihre besondere Begabung. Nach der Vorstellung hatte er sie angesprochen, obwohl das nun wirklich nicht seine Art war,irgendjemanden einfach so anzusprechen. Aber da war etwas in ihr und in ihm, das zusammenpasste. Seltsamerweise konnte er sich heute nicht mehr erinnern, was er zu ihr gesagt hatte. Aber was immer es gewesen war, es wirkte. Sie hörte ihn an, sie gab ihm eine Chance, zuerst trat sie mit Nikolas auf, dann kauften sie und Mirko das Wahrsagerzelt und dachten sich die Wahrsagernummer aus. Damals hieß Madame Argent noch nicht Madame Argent. Aber ihr wirklicher Name spielte keine Rolle mehr, nachdem sie sich getroffen hatten.
    Sie wurden zuerst Freunde und später Geliebte, auch wenn niemand von ihrer Liebe wusste, keiner der Zirkusleute, nicht einmal Meister Nicolas. Als Madame Argent starb, hatte Mirko zum ersten Mal das Gefühl, dass sein Leben zu Ende war.
    Aber Madame Argent ließ ihn nicht allein. Sie hatte Maria für ihn gefunden, und sie hinterließ sie ihm wie ein kostbares Erbstück, dessen Wert man erst mit der Zeit entdeckt.
    Mit der Zeit wurde Maria seine Partnerin, seine Tochter, seine Freundin, seine Frau, seine Schwester, seine Mutter, sie wurde alles für ihn, was eine Frau für einen Mann sein kann. Aber davon wusste sie nichts, es hätte sie furchtbar erschreckt, wenn sie es erfahren hätte. Es war ja auch nicht nötig, dass sie es wusste. So lange sie nur bei ihm war, war alles perfekt.
    Doch dann tauchte Wunder auf.
    Gleich als er ihn das erste Mal sah, wusste Mirko, was geschehen würde. Und genauso kam es. Wunder verliebte sich in Maria. Maria verliebte sich in Wunder. Erst zog er in ihr Zelt ein, und dann wollten sie heiraten. All das konnte Mirko noch akzeptieren.
    Aber er konnte sich nicht damit abfinden, dass sie den Zirkus verlassen würden. Und das war unausweichlich. Wunder war kein Zirkusmensch, früher oder später würde er Maria fortbringen, weg vom Zirkus, weg von Mirko. Das wäre nicht gut für Maria, redete sich Mirko ein, obwohl er im Grunde damals schon wusste, dass es nur für ihn selbst nicht gut war.
    Er hatte keine Ahnung von jungen Frauen. Genauso wenig wie von Hühnern und Gänsen. Das wurde ihm in Nördlingensehr schnell bewusst. In den ersten Wochen verwandelten Mirkos Hühner die kleine Wiese hinter dem Haus in blanke, bloße Erde. Die Gänse pickten nach den Grashalmen, die Hühner scharrten sie weg, auf der Suche nach Würmern. Also begann Mirko, die Gänse jeden Nachmittag zur Kornlach zu treiben, am Bachrand ließ er sie fressen, während er im Schatten einer Weide saß und strickte. Sie waren so zahm, seine Gänse, sie versuchten niemals wegzulaufen.
    Agneta und Regina, so hatte er sie genannt, aber sie erkannten ihre Namen nicht, wenn er sie rief.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher