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Zirkus zur dreizehnten Stunde

Zirkus zur dreizehnten Stunde

Titel: Zirkus zur dreizehnten Stunde
Autoren: Cassy Fox
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den Menschen gejagt. Fabelwesen, Wechselbälger, Dämonen manchmal nannte man sie auch Engel, Elfen oder Feen. Doch alle hatten eines gemeinsam: Erkannten die Menschen, was sie waren, jagte man sie davon. Oder tötete sie einfach.
    Antigone hatte sie alle gesucht und aufgenommen. Jahr um Jahr war vergangen. Und immer noch holte sie Neulinge hierher, denen sie Zuflucht bieten wollte. Sie gab jedem einen Platz, eine Aufgabe, ein Leben.
    Langsam stand sie auf, nahm das Mädchen auf den Arm und legte es in eine Koje.
    „Wir brechen auf“, meinte sie nur und drehte sich zur Tür.
    „Natürlich“, Kismet verbeugte sich leicht und verließ das Zimmer.
    Antigone ließ sich auf einen Stuhl sinken. Ihr Blick huschte zu dem Mädchen. Ihr Haar ähnelte Antigones Haaren. Diese Unschuld, diese Unberührtheit. Fast wie in der Zeit erstarrt. Fast wie …
    Sie riss sich los und ging hinaus. Draußen herrschte reges Treiben. Obwohl es mitten in der Nacht war und sich alle auf ihre freie Zeit gefreut hatten, gab es kein Murren darüber, dass sie nun doch sofort aufbrachen. In dem vermeintlichen Chaos steckte ein ausgeklügeltes System, das einen Aufbruch in kürzester Zeit ermöglichte.
    Sie ließ den Blick durch die Menge schweifen. So viele hatten sich inzwischen ihrem Zirkus angeschlossen, so viele teilten ihren Traum, so viele verließen sich auf sie und ihr Wort.
    Kismet war nicht mehr zu sehen. Sie hatte alles in die Wege geleitet und sich wieder zurückgezogen. Sie musste diverse Rituale vollziehen, wenn sie diesen Ort verließen. Durch deren Macht konnte kein Verfolger diesen Zirkus finden. Ohne Kismet wäre der Zirkus sicher schon lange niedergebrannt und verwüstet worden. Doch die Seherin schützte diesen Ort, der zur Heimat von so vielen Verstoßenen geworden war.
    Wohin sie auch sah, fand sie diese phantastischen Wesen. Der Feuerkünstler, der das Feuer in seinen Händen erschuf. Der missgestaltete Junge, dessen Aussehen jedem einen Schauer über den Rücken jagte. Oder das Kind mit den viel zu langen Gliedmaßen, die einfach nicht enden wollten. Spinnenfrauen, Werwölfe, Bucklige und Zyklopen. Banshees, Grenzgänger und Dämonen, Zwerge, Riesen und Tierwesen, Elfen und Berührte. Alles war vertreten und alle waren einmalig.
    Hier war ihr Zuhause, hier war der Ort, wo jeder sein konnte, was er war. Auch Antigone. Sie schlang die Arme um den Körper. Zuhause – das Wort hallte in ihren Gedanken nach und ließ sie lächeln. Nach so vielen Jahren der Suche, nach so vielen Jahren, in denen sie versucht hatte, sich anzupassen. Jetzt war sie hier, mit Ihresgleichen. Masken wurden nur getragen, wenn die Menschen kamen. Zumindest glaubten die Besucher, dass alles nur Masken waren. Ein Versteck in der Wahrheit, in der Öffentlichkeit. Das Gefühl endlich sein zu können, was man war.
    „Können sie wirklich sie selbst sein?“
    Antigone fuhr herum, als sie die Stimme hörte. Diese Stimme, die sie immer wieder zu verfolgen schien. Wie ein unheimliches Omen, das ihr auf den Fersen war, die nichts als Bösartigkeit und Hinterlist in sich trug. Die Stimme eines Wesens ohne Gefühle, mit einer Seele, die dunkler war als die Kleidung, die er trug.
    Antigone schluckte. Der Mantel war offen, doch das darunterliegende Hemd und die Hose boten keinerlei Kontrast. Die Haare ergänzten das düstere Bild. Wie eine dunkle Woge rahmten sie sein Gesicht ein, einige Strähnen spielten im Wind, der Rest floss, zusammengebunden über seinen Rücken wie schwarzes Wasser. Sie schimmerten im Mondlicht und unterstrichen das Funkeln in seinen Augen. Antigone kannte diese Augen gut genug. Sie waren grün, grün wie der Neid. Und dieses Lächeln. Kalt und unnahbar. Sie spürte regelrecht den Sadismus, der dahinter brannte, wie eine Flamme, die alles um ihn verschlingen wollte.
    „Cael“, ihr Ausdruck wurde abwehrend. Dieses Etwas, das ihn begleitete, diese Aura aus Arroganz und Heimtücke, ließen sie stets zurückweichen. „Was willst du …“ Sie stockte und kniff die Augen zusammen. Erst jetzt wurde ihr der Inhalt seiner Worte klar, den er an sie gerichtet hatte. „Hör auf in meinen Gedanken zu lesen!“
    „Ist es meine Schuld, wenn dein Geist so offen ist?“, er kam langsam näher. Das Lächeln blieb und jagte ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Diese Bosheit in seinen Augen, dieser pervertierte Geist, dessen Sinnen nur dem Untergang anderer galt.
    „Was willst du?“, zischte Antigone durch zusammengebissene Zähne und
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