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Zielstern Beteigeuze

Zielstern Beteigeuze

Titel: Zielstern Beteigeuze
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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probieren, bevor ich an der Treppe rauskam.“
    Kiliman brauchte einige Sekunden, um sich von dem Schreck zu erholen. Froh war er, daß sich alles leicht gelöst hatte, sehr froh; und doch kam er sich vor sich selbst ein klein bißchen lächerlich vor, weil er einen ziemlich harmlosen Vorgang mit solchem Gefühlsaufwand begleitet hatte.
    „Wie bist du eigentlich da hineingekommen?“ fragte er, um sich seine Stimmungen nicht anmerken zu lassen.
    „Das war sonderbar“, sagte Atacama nachdenklich. „Als die Flammen auf mir herumtanzten, hab ich gar nichts gespürt, ich meine, keine Schmerzen oder so etwas. Ich wußte nur plötzlich, ich muß in dieses Loch kriechen. Vielleicht wollte ich auch nicht auf dich zulaufen, damit du nicht auch.... und von dir weg schon gar nicht.... ach, ich weiß nicht. Aber als ich drin war und das wuchs plötzlich zu, da hab ich Angst gekriegt. Bis du geklopft hast. Das hat mich beruhigt. Da hab ich mir gesagt: Man soll eben nicht in den Eingeweiden fremder Zivilisationen herumkriechen.“
    Die kleine Unsicherheit, die Atacama zeigte, als sie ihr Verhalten zu begründen suchte, ließ Kilimans Herz schneller schlagen. Als er das spürte, verspottete er sich selbst - schließlich, wenn der Wunsch, ihn zu schützen, dabei eine Rolle gespielt haben sollte, dann war das auch im günstigsten Fall nicht mehr als kameradschaftliches Verhalten, wie es jeder jedem anderen gegenüber beweisen würde. Nur verliebte Schuljungen konnten sich darauf etwas einbilden. Trotzdem freute es ihn.
    Hirosh war in der Zwickmühle. Einerseits hatten die Messungen ergeben, daß zwar der nächste Flug durch die Verdopplungszone noch sicher war, der übernächste aber schon unsicher sein konnte. Es wäre also angeraten gewesen, wenn er jetzt mit Atacama und Kiliman gemeinsam auf die Reise gegangen wäre; andererseits aber schien ihm das gesamte Problem noch nicht reif zu sein. Es war keine Überheblichkeit, daß er nur auf sein Gefühl vertraute, und kein Ehrgeiz, daß gerade er das Problem lösen wollte, konkreter, die letzte Gewißheit einholen wollte, daß alles dies wirklich Kontakt und nicht Einbildung, massenhafte Autosuggestion oder was sonst immer war. Er wußte einfach mit stiller Gewißheit, daß niemand anders das tun konnte. Alle andern waren an wissenschaftliches oder praktisch-technisches Denken so sehr gewöhnt, daß sich ihnen nach seiner Überzeugung die Lösung verschließen mußte. Oder sie waren einfach zu jung. Aber er selbst war auch nicht vorangekommen, er hatte den Eindruck, ebenfalls auf der falschen Fährte zu sein. Und er hoffte, daß Atacamas und Kilimans Flug da noch ein wenig Klarheit bringen würde.
    Was aber, wenn er dann nicht mehr zu seinem Flug käme? Wenn also wirklich der Abstand für die Fähre zu klein würde, dann... So mußte es gehen. Und vielleicht war das sogar von Vorteil für den Kontakt.
    Er hatte sich entschlossen, jetzt nicht mitzufliegen, aber die möglichen Varianten noch für sich zu behalten. Er unterrichtete Atacama und Kiliman, die sich nach ihrem Abenteuer in der Stadt ein wenig ausgeruht hatten, daß sie starten könnten.
    Und noch einmal schien sich im Erleben der beiden alles zu wiederholen: das Arbeitsgefühl, die Anwesenheit der anderen, nein, nicht aller, die schon geflogen waren, die Zwillinge traten gar nicht erst auf, Elber und Dela verschwanden bald wieder aus dem erfühlten Kreis - aber dann wurde alles ganz anders. Atacama hatte das Gefühl, sie sei nicht mit irgendeinem Fremden verbunden, sondern mit Kiliman. Und sie fühlte all das, von dem sie freilich auch vorher gewußt hatte, daß er es für sie empfand, nur jetzt war es nicht kaltes Wissen, es war in ihr und so, als empfinde sie es für sich selbst, und doch war es mehr, unendlich viel mehr, als ein Mensch für sich selbst empfinden kann. Nichts hinderte sie, darüber nachzudenken, ihr Fühlen gedanklich zu durchdringen. Sie wußte sofort, daß sie ein solches Gefühl in ihrem bisherigen Leben nicht gekannt hatte.
    Offenbar waren von den Gefühlen anderer für sie immer nur schwache Echos bis in ihr Inneres gedrungen. Hatte sie falsch gelebt? Wohl nicht, sie hatte ihrem Charakter und ihrem Temperament gemäß gelebt, hatte sich nichts vorzuwerfen. Dennoch - ohne dieses Erlebnis, vermittelt durch die Hilfe der Geusen, wissenschaftlich nicht kontrollierbar, irdischem Denken vielleicht noch gar nicht zugänglich - ohne dieses Erlebnis hätte sie das Wichtigste im Leben versäumt. Aber unter
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