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Zieh dich aus, du alte Hippe

Zieh dich aus, du alte Hippe

Titel: Zieh dich aus, du alte Hippe
Autoren: Helge Schneider
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Er knipst ein Radio an, im Sender ist Trauermusik. »Na, das paßt ja wieder!« Der Kommissar ist sauer. Die Pein wird immer größer. Und draußen der Himmel verfinstert sich. Aber gegen diese miese Stimmung anzukommen, das ist Kommissar Schneiders Spezialität. Er steigt auf die Theke und tanzt mit we it ausgebreiteten Armen Sirtaki! Japam -pampam, drrrrjampampampam ... So wirkt er gegenüber der Umwelt positiv eingestellt. Beruflich hat er Erfolg, er wird den Mörder heute schnappen. Dann fliegt er zur Lampe hoch und befreundet sich mit den Fliegen, die w ie wild darauf sind, ihn kennenzulernen. Zusammen mit ihnen fliegt er durch die Straßen, sie machen Einkäufe. Er lädt die Fliegen zu einer Tasse Kaffee ein in einem schönen Cafe, wo man draußen sitzen kann. Sie beobachten die vielen Leute, die hier auf und ab gehen. Ab und zu lernen sie jemanden kennen, einer gibt ihnen die Adresse des Mörders. Mit einem Zettel in der Hand wird der Kommissar wach aus seinem fu riosen Tablettenrausch. Auf dem Zettel steht tatsächlich eine Adresse. Dahin will er jetzt gehen. Die roten Pusteln sind wie verflogen. 

Um zu dem Ort zu gelangen, der auf dem Zettel angegeben ist, muß der Kommissar ein Schiff nehmen. Er geht zum Ha fen, wo zur Zeit ein großes Segelschiff vor Anker liegt. Nie mand sieht ihn, wie er die Planken betritt. Unheimlich zeichnet sich der schwarze Klotz gegen eine neblige See ab. Der Hauptmast ragt wie ein schimpfender Zeigefinger gen Him mel. Klamm legt sich der helle Popelin-Mantel des Kommissars um seine Taille. Er ist allein. Das Schiff trägt ein schwar zes Segel mit einem weißen Totenkopf, es ist ein abgewracktes Piratenschiff, auf dem sich der Kommissar be findet! Er schleicht zur riesigen Ankerwinde und wirft sich mit seinem ganzen Körper gegen den Hebel, der Anker wird geliftet. Bis er gänzlich aus dem Morast befreit ist, vergeht eine lange Zeit. Die Stadt ist düster, als der Kommissar mit breiten Beinen am Steuerrad steht und das Ungetüm in den Wind manövriert. Klatschende Gischt und ein plötzlich auf kommender Sturmwind machen ihm das Segeln schwer. D ie vollen Segel knallen heftig gegen die Bäume und das Schiff fliegt wie eine unsichtbare Gewitterwolke über den Ozean. Die Haare fliegen dem Kommissar in die Stirn, und er sieht unbezwingbar aus. Jetzt kann der Tod kommen, er will ihm schon heimleuchten. »Aaaaahhhhhhüü!« Er schreit gegen den Sturm an, hier kann er seinen eigenen Schrei nicht hören, aber die ver dammten Fische sollen ihm Tribut zollen. Der Kiel schneidet in die Wogen, zerstörerisches Segelschiff. Die Ge schwindigkeit nimmt zu, der untere Bo den des Ozeans wird meterhoch aufgewirbelt. Eine Böe reißt Kommissar Schnei der den Mantelgürtel kaputt. »Hahahahahahaaaaaü!« Er dreht sein Schiff mitten in den Wind. Eine riesige Woge hebt den vorderen Teil des Schiffes haushoch, mit dem Heck taucht es tief ein, dann kracht es mit lautem Bersten auf die harte See. Eine imaginäre Melodie liegt in der angerauhten Atmosphäre. Es ist, als wenn die Englein singen. Hoch am Himmel erscheint ein Gesicht, zwar kaum zu erkennen, doch sichtbar. Das Gesicht spricht zu Kommissar Schneider: »Du wirst dein Ziel niemals erreichen! Ich bin der Teufel! Du bist verloren! Hau ab!« Der Teufel verschwindet genauso heim lich, wie er gekommen ist. Um seinen Mund ist ein Anflug von einem Lächeln. Doch der Kommissar denkt, es ist ei ne Luftspiegelung. Nichts kann ihn erschüttern. Er ist ein Fels. Eine riesige Schwanzflosse durchdringt die Wasseroberfläche und peitscht backbord an die Reeling. Der Wal begleitet das Monsterschiff auf seiner seltsamen Reise. Für den Wal wird es die letzte Reise sein. Er ist ein uralter Geselle. In seinem Magen liegt ein Haufen Müll und Schrott. Sogar Autoteile hat er in seinem langen Leben verschlungen. Ein Schwärm fliegender Fische hüpft lustig über den Wellen. Das Schiff ist eine Woche unterwegs. 

    Die Nächte fror der Kommissar wie ein Schneider. Eines Morgens, als die Sonne zum ersten Mal ihre Strahlen durch den immerwährenden Nebelschleier schickt, kann der Kom missar am Horizont einen schmalen Landstreifen erkennen. Sie kommen näher, der Wal dreht bei und taucht tief in den Ozean hinab, um sich dort in seinem nassen Grab zum Sterben hinzulegen. Er weiß genau, daß es zu Ende geht. Der fast dreißig Meter lange Körper macht eine lange Flut welle beim Untertauchen, noch einmal schickt er einen hohen Strahl Meerwasser in den Himmel. Das ist
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