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Zicke

Zicke

Titel: Zicke
Autoren: Sara Zarr
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Nachmittag zum Arzt.«
    »Oh. Tut mir leid.«
    »Kein Problem. Ich wollte nur ein paar Secondhand-Läden in der Stadt nach Klamotten abklappern. Meine alten Sachen passen mir immer noch nicht. Ich komm mir richtiggehend wie ’ne fette Kuh vor.«
    April grabschte wieder nach meinen Haaren. »Ich habe in einem dieser Bücher gelesen, dass Stillen hilft, schneller abzunehmen.«
    »Das habe ich auch gelesen«, sagte Stacy, »aber offenbar funktioniert es doch nicht. Und jetzt tun mir die Titten weh.« Sie zog eine Jogginghose von einem der Haufen am Boden an und bürstete ihr blondiertes Haar so rabiat durch, dass ich hören konnte, wie die |36| Borsten Haarwurzeln aus ihrer Kopfhaut rissen. »Und wo willst du dich bewerben? Vielleicht solltest du warten, bis sie bei
Safeway
wieder Leute einstellen. Wetten, wir könnten dir da einen Job verschaffen? Nächsten Monat vielleicht.«
    »Mag sein. Ich sehe zu, dass ich früher was finde.«
    Sie bemerkte einen Fleck auf ihrer Jogginghose, zog sie fluchend wieder aus und suchte nach etwas anderem zum Anziehen. April begann zu wimmern und streckte die Arme nach Stacy aus.
    »Ich fass es nicht! Hier gibt es kein einziges sauberes Teil, das mir passt.« Sie zog die fleckige Hose wieder an und ging zum Spiegel: schwarzer Lidstrich, checken; schwarze Wimperntusche, checken. Genau wie früher in der Mädchenumkleide von Terra Nova. Nur dass jetzt ein feuchter Fleck auf der Brust ihres T-Shirts auftauchte. »Verdammter Mist. Ich lauf aus.
Schon wieder
.« Sie wechselte ihr Hemd und sah mich an. »Ich hoffe, du weißt, was für ein Glück du hast, dass Tommy dich nicht geschwängert hat.«
    Ich wusste es. Wir hatten kaum je etwas benutzt.
    Nachdem Dad mich erwischt hatte, schleifte mich Mom zum Arzt und ließ mich auf die Pille setzen, danach gingen wir sofort in die Drogerie, wo sie eine Schachtel Kondome kaufte. Wortlos drückte sie mir die Tüte in die Hand.
    Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen. Ich hatte eine Weile die Nase voll von Sex, und die Schachtel mit den Kondomen war immer noch in meinem Kleiderschrank, unangetastet.
    |37| »Ich kann mich um die Wäsche kümmern, während ihr beim Arzt seid«, sagte ich. April wimmerte nun nicht mehr, sondern weinte und sträubte sich gegen meine Arme.
    Stacy nahm sie mir ab und setzte sich, um zu stillen.
    »Ich weiß nicht, weshalb ich mir überhaupt die Mühe mache, was anzuziehen. Ich sehe ohnehin immer aus wie unter die Räuber gefallen.« Sie zuckte zusammen und blickte auf April an ihrer Brust hinab. »Mein Gott, Kleine. Musst du denn
so
heftig saugen?!«
    Merkwürdig, du weißt, dass Babys harmlos und unschuldig sind, aber manchmal machen sie es dir scheinbar absichtlich schwer. Wie April: Sie konnte so süß sein – aber nicht, wenn sie die ganze Zeit knatschig war und schrie, dann wünschte ich mir, dass ich sie fragen könnte, was denn los sei, und sie beruhigen. Wenn schon
ich
bei April manchmal dieses Gefühl hatte, musste es für Stacy hundertmal schlimmer sein. Oder vielleicht auch nicht. Wenn du selbst die Mutter bist, kommt dir vielleicht alles okay vor. Aber es gab Tage, an denen ich Stacy ansah und merkte, wie müde sie war, und mich fragte, ob sie das wirklich schaffen würde. Das war ein weiterer Grund für mein Vorhaben, etwas Geld zurückzulegen und mit allen gemeinsam in eine eigene Wohnung zu ziehen. Stacy und Darren und April, die brauchten mich. Ich würde dann Stacys rechte Hand sein, Tante Deanna, immer bereit, das Kommando zu übernehmen, wenn die Dinge aus dem Ruder liefen, selbst für die toughe Stacy.
    |38| Aber zuerst brauchte ich Geld. »Ich bin dann später wieder hier, falls du irgendwie Hilfe brauchst«, sagte ich und drückte Aprils dickes Beinchen, ehe ich ging.
    ***
    Lee saß auf der Holzbank draußen vor dem Donut-Laden, in Jasons schwarzem
Metallica
-Kapuzenshirt, nach vorn gebeugt, das Kinn in die Hände gestützt, wie es ihre Art war. Wieder überkam mich dieses Gefühl, als ob ich die beiden zusammen im Flur der Schule sehen würde. Die Jacke bedeutete, dass es einen bestimmten Moment gegeben hatte: Lee und Jason allein, das Shirt wechselt den Besitzer. Hatte er es ihr geschenkt? Hatte sie ihn darum gebeten? Tat sie so, als ob ihr kalt wäre, schlang sie die Arme um ihren Körper, damit er ihr das Shirt anbot?
    Sie stand auf und umarmte mich, und ich fühlte mich scheiße, weil ich solche Sachen dachte, weil ich alles andere als glücklich war, dass sie glücklich waren. Lee ist eine
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