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Zicke

Zicke

Titel: Zicke
Autoren: Sara Zarr
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mich mit seinem stinkenden Atem einnebelte und sagte, was er nun mal sagte, war mir also klar, dass es sich um mehr als eine der gängigen Gemeinheiten handelte, die alle Mädchen treffen. Er reduzierte meine ganze Lebensgeschichte auf sieben verletzende Wörter.
    Dafür musste ich ihm eine gepfefferte Abfuhr erteilen. Ich nahm erst mal den Mittelfinger (mit einem Klassiker kannst du nie falsch liegen), dann servierte ich ihm ein paar erlesene Bemerkungen über seine Mutter und ließ zum Abschluss durchblicken, dass er womöglich gar nicht auf Mädchen stehe.
    Ungefähr in diesem Moment überlegte ich, ob irgendwelche Lehrer oder sonstige erwachsene Verantwortungsträger in der Nähe waren, falls Tucker und Bruce und ihre Freunde beschlossen, die Sache über einen Wortwechsel hinauszutreiben. Daran hätte ich wohl früher denken sollen …
    Bruce griff ein. »Warum tust du so, Lambert? Warum tust du so, als wärst du keine Schlampe, wo du |16| doch genau weißt, dass du eine bist?« Er deutete auf sich und die Typen im Umkreis.
» Wir
wissen, dass du eine bist.
Du
weißt, dass du eine bist. Und, ähm, dein
Dad
weiß es, also …«
    Eine Stimme vom Flur her unterbrach ihn: »Habt ihr Typen nicht irgendein Haustier, das ihr foltern könnt, oder was?«
    Jason hatte noch nie so gut geklungen.
    »Du willst doch
nicht mal
was davon abhaben, Penner«, rief Tucker über die Schulter.
    Jason kam weiter auf uns zu, mit seinem üblichen schlaksigen Gang, und schleifte die schwarzen Stiefel über den Boden, als ob es einfach nicht lohnte, die Füße zu heben. Mein Held. Mein bester Freund.
    »Habt ihr nicht gestern irgendwie euren
Abschluss
gemacht?«, sagte er zu den Typen. »Ist das nicht ein bisschen erbärmlich, dass ihr immer noch hier rumhängt?«
    Bruce packte Jason an der Jeansjacke und rammte ihn gegen die Schränke. Wo zum Teufel war die Aufsicht? Waren alle Lehrer gleich beim letzten Läuten auf die Bahamas entflohen?
    »Lass ihn los!«, rief ich.
    Einer von Tuckers Freunden meinte: »Lass ihn,
    Mann, wir haben keine Zeit für so’n Mist. Wir haben Max versprochen, dass spätestens um vier das Fass da ist.«
    »Ja«, ergänzte Tucker, »mein Bruder arbeitet praktisch nur noch zehn Minuten im
Fas Mart
. Danach checken sie unsere Ausweise.«
    |17| Bruce ließ Jason los und versetzte mir einen letzten vernichtenden Blick – er starrte direkt in meine Augen. »Kapierst du jetzt, dass man mit dir nur seine Zeit verschwendet, Lambert?«
    Wir sahen ihnen nach, wie sie den Flur entlanggingen und um die Ecke verschwanden. Dann gab ich meinem Recyclinghaufen einen Tritt und schaute zu, wie die Papierfetzen durch die Luft flogen.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Jason.
    Ich nickte. Mit mir war immer alles in Ordnung.
    »Ich muss noch mein Franzbuch abgeben, dann ist die Zehnte offiziell vorbei.«
    »Wird auch Zeit. Was jetzt?«
    »Ins
Denny

    »Gehen wir.«
    ***
    Nach dem
Denny
hingen wir ein wenig im CD-Laden ab und machten uns über die Musik an den Audiostationen lustig, dann ging ich mit Jason im Schlepptau Bewerbungsunterlagen in den Läden und Imbissen an der Beach Front einsammeln – einer traurigen, langweiligen Strandmeile, wo kaum jemand mehr einkaufte, seit der zweite
Target
-Markt drüben in Colma eröffnet hatte. Wir redeten nicht viel. Innerlich spulte ich dauernd noch einmal ab, wie Tucker mich vollgepustet hatte, als er das gesagt hatte, was vermutlich alle in der Schule dachten.
    Jason und ich kommen ohne Worte miteinander klar. Daran erkennst du, glaube ich, dass du jemandem |18| wirklich vertraust: Wenn du nicht dauernd reden musst, um dich zu vergewissern, dass er dich immer noch mag, oder um zu beweisen, dass du etwas Interessantes zu sagen hast. Ich könnte den ganzen Tag mit ihm verbringen und kein Wort sagen. Ich könnte auch den ganzen Tag sein Gesicht anschauen. Seine Mutter ist Japanerin und sein Vater, der gleich nach Jasons Geburt starb, ist Weißer. Jay hat unglaublich glänzende schwarze Haare, lange Wimpern und die blauen Augen seines Dads (Warum haben Typen eigentlich immer diese Wimpern, für die ein Mädchen morden könnte?). Ich habe ehrlich gesagt nie verstanden, warum die Mädchen aus der Gegend sich nicht auf ihn stürzen. Vielleicht, weil er einer von den Stillen ist, und klein, wie seine Mom. Stört mich nicht, weil wir fast gleich groß sind und perfekt zueinander passen würden, wenn das bei irgendeiner Gelegenheit mal nötig wäre.
    Er ist locker. Er ist treu. Er hat
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