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Zicke

Zicke

Titel: Zicke
Autoren: Sara Zarr
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abgestellt sind – Autos, die mindestens seit Anbeginn der Zeit hier stehen.
    »Ruf mich morgen an«, sagte Jason.
    »Mach ich.«
    Das war der schlimmste Teil des Tages: Der Bus erreichte meine Haltestelle und ich musste Jason verlassen, er fuhr weiter, irgendwohin, während ich täglich in diese Sackgasse geriet – will sagen: nach Hause.
    ***
    |22| Ich stand draußen vor der Tür und zählte wie üblich bis zehn, ehe ich reinging. Eins, zwei … achte nicht darauf, dass das Garagentor schief hängt … drei, vier, fünf … vergiss den kaputten Blumentopf, der seit letztem Sommer als Scherbenhaufen auf dem Gras liegt … sechs, sieben … schon in Ordnung, jeder lässt seine Weihnachtsbeleuchtung das ganze Jahr über dran … acht … die Veranda ist ein prima Platz für eine Sammlung durchgeweichter Kartons … neun … ach, vergiss es, dreh einfach den Knopf und geh endlich rein.
    Die Zehn ist alles andere: Der modrige Geruch, der nie weggeht, die fünf Schritte über den grünen Flokati vom Wohnzimmer zur Küche, die schweinchenrosa Wände der Küche – und schließlich meine Eltern.
    »Du kommst zu spät.« Dad, gedrungen und in sich gekehrt, eine Insel auf einem Küchenstuhl, blickte dabei nicht von seinem Abendbrot auf. »Dann mach dich am besten mal gleich an deine Hausaufgaben.«
    »Es war der letzte Schultag, Dad.«
    Seine Gabel blieb für einen Moment in der Luft hängen, dann aß er weiter. »Ich weiß. Ich will nur sagen, dass du diesen Sommer hoffentlich nicht vorhast, irgendwelchen Ärger zu machen.« Als ob ich allerlei Ärger gemacht hätte, was nicht stimmte, schon lange Zeit nicht mehr. »Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
    »Jaah.«
    Moms heitere Stimme mischte sich ein, wie sie es immer tut, wenn ihrer Meinung nach unbedingt das |23| Thema gewechselt werden muss. »Warum setzt du dich nicht hin und isst mit uns zu Abend?«
    »Ich hab schon gegessen.«
    »Gut, dann eben Nachtisch.« Sie häufte noch mehr auf Dads Teller, wobei ihr das gefärbte und toupierte Haar ins Gesicht fiel. »Wie wär’s mit ein bisschen Eis?«
    Moms Lieblingssätze lauten:
     
Dein Vater kann einfach nicht so aus sich herausgehen
(Austauschbar mit:
Nur weil er nicht sagt, dass er dich liebt, heißt das noch lange nicht, dass er es nicht tut
).
Wir müssen es einfach hinter uns lassen, sei ein braves Mädchen und es wird alles wird gut.
»Wie wär’s mit ein bisschen Eis?«
     
    »Ist Darren schon zu Hause?«, fragte ich.
    »Stacy ist gerade zur Arbeit gefahren und übergibt ihm den Wagen«, antwortete Mom. »Oder holt den Wagen ab. Ich kann mir einfach nicht merken, wie rum.«
    Darren wohnte noch daheim, was eigentlich nicht geplant war – nicht von ihm, nicht von meinen Eltern. Als seine Freundin Stacy schwanger wurde und beschloss, dass Baby zu behalten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als bei uns ins Erdgeschoss zu ziehen und alles aufzugeben, was nach einem Plan aussah.
    Sie arbeiteten beide bei
Safeway
– Darren tagsüber und Stacy nachts –, damit immer einer beim Baby sein |24| konnte, bei April. Was wohl eine gute Regelung war, schätze ich, nur sahen sie sich dadurch so gut wie nie, außer wenn sie einander den Schlüssel zu ihrem einen Auto übergaben.
    »Stacy ist wie üblich zu spät weggekommen«, sagte Dad. »Die hat Glück, dass man sie nicht rausschmeißt.«
    »Sie hat es zweimal zur Mitarbeiterin des Monats gebracht«, rief ich ihm in Erinnerung, während Mom mir eine Schüssel mit Karamell-Brownie-Eis reichte, um die ich gar nicht gebeten hatte.
    Dad wedelte mit der Serviette. »Das ist kein Grund.«
    Er mochte Stacy ungefähr so sehr, wie er mich mochte.
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Mom. »Die nehmen sicher ein wenig Rücksicht auf sie, wo sie doch gerade Mutter geworden ist und so …«
    Ich stellte mein Eis auf den Tisch und ließ sie allein, damit sie Stacys Karriere diskutieren konnten, während ich mich auf die Suche nach dem einen Menschen im Haus machte, mit dem ich
wirklich
sprechen wollte.
    Sie saß in ihrem Autositz auf dem Bett meiner Eltern und war ganz vergnügt nach ihrem Mittagschläfchen. »Hi, April«, sagte ich und hob sie hoch. Ich drückte einen langen Kuss auf ihr kleines Gesicht und nahm sie mit in mein Zimmer: Auf
meine
drei mal vier Meter an unbesetztem Gebiet, zu
meinen
Klamottenhaufen und
meinen
CDs und
meinem
Thanksgiving-Truthahn aus Makkaroni, den ich in der dritten Klasse zusammengeklebt hatte und der immer noch über meinem Bett hing. Ich breitete ein
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